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Kellerschatz in Florenz Michelangelos Geheimversteck ist jetzt öffentlich zugänglich

1530 musste sich Künstler Michelangelo vorübergehend in einem Keller verstecken – und blieb dabei nicht untätig: Sein einstiges Versteck birgt einen grossen Schatz mit Kohlezeichnungen.

Michelangelo Buonarroti (1475-1564) war nicht nur ein genialer Maler, Bildhauer, Architekt und Allroundkünstler, sondern auch ein politisch denkender Mensch. Im Sommer 1530 musste er sich deshalb, mithilfe eines befreundeten Mönches, für einige Monate vor der Rache der mächtigen Medici-Fürsten verstecken.

Das Versteck, ein Kellerraum, liegt gleich unterhalb der Florentiner Medici-Kapellen, der Sagrestia Nuova, wo sich die Sarkophage mit den Lokalfürsten befinden. Es war ein selbstgewähltes Versteck, das vor rund 50 Jahren wiederentdeckt wurde und erst jetzt öffentlich zugänglich ist.

Eingang in den geheimen Keller: Hier unten harrte Michelangelo drei Monate aus.
Legende: Eingang in den geheimen Keller: Hier unten harrte Michelangelo drei Monate aus. Keystone/AP/Luigi Navarra

Der Grund für Michelangelos Untertauchen: Er hatte sich zusammen mit demokratischen Rebellen in den 1520er-Jahren gegen die seiner Meinung nach immer tyrannischer herrschenden Medici gestellt. Schliesslich mussten die Medici flüchten, und eine Bürgerregierung übernahm das politische Ruder. Der Künstler war mit von der Partie und ersann für die Rebellen sogar ein Verteidigungssystem mit einer neuen Stadtmauer.

Angst vor rachsüchtigem Papst

Doch dann kamen die Medici zurück – und alle hatten Angst vor Repressalien. Auch Michelangelo. Er verschwand in dem zehn mal drei Meter grossen Kellerraum mit Gewölbedecke, der nur durch ein schmales Fenster auf Strassenniveau beleuchtet wird.

Der Künstler hatte nicht zuletzt auch deshalb guten Grund zur Flucht, da Papst Klemenz VII., einer der wichtigsten Arbeitgeber für Kunstschaffende im damaligen Italien, auch ein Medici war.

In den rund drei Monaten, die Michelangelo in dem Keller verbrachte, war er nicht untätig. Auch ohne Farben, Leinwände und andere Hilfsmittel für seine Arbeit schuf er Kunst. Fast die gesamten Wänden und ein Teil der über zwei Meter hohen Gewölbedecke sind mit Kohlestiftzeichnungen bedeckt.

Entwürfe für spätere Meisterwerke

Die zeigen vor allem nackte Körper wohlproportionierter Frauen und Männer, einzelne Körperteile und Gesichter. Zeichnungen, die Michelangelo später für die Realisierung berühmter Skulpturen dienten. Wie etwa für eine sitzende Figur des Medicifürsten Lorenzo de' Medici in der Sagrestia Nuova. Kunsthistorikern zufolge gibt es unter den Kellerzeichnungen verschiedene Hinweise auf spätere Kunstwerke des Meisters.

Die Skizzen an den Wänden waren lange verdeckt – nun sind sie für die Öffentlichkeit zu sehen.
Legende: Die Skizzen an den Wänden waren lange mit Farbschichten verdeckt – nun sind sie für die Öffentlichkeit zu sehen. Keystone/AP/Silvia Stellacci

Nach dem Ende seines selbstgewählten Kellergefängnisses sorgte Michelangelo dafür, dass der Skizzenraum vergessen wird. Mit gleich zwei Farbschichten wurden die Wände bedeckt. Der Raum diente fortan als Keller und Kohlenraum. Durch Zufall entdeckte man in den 1950er-Jahren die Zeichnungen.

Bis jetzt durften nur einige wenige Personen, vor allem Kunsthistoriker, diese Zeichnungen besichtigen. Nun aber ist der Raum für alle zugänglich. Allerdings nur in kleinen Gruppen, denn die Atemluft vieler Besucher konnten die Kohlezeichnungen beschädigen.

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Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 6.12.2023, 7:06 Uhr

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