Ab sofort ist die Ausstellung «Climate Fiction» im Zürcher Literaturmuseum Strauhof zu sehen: «Eigentlich hätte sie schon vor über einem Jahr eröffnet werden sollen», gesteht Kurator Rémy Jaccard. Doch die Corona-Pandemie habe alles verzögert.
An Bedeutung verloren hat die Ausstellung dadurch nicht. Ganz im Gegenteil: Sie hat sogar an Relevanz gewonnen, denn Klimafiktion ist zu dem Literaturtrend schlechthin geworden. Die aktuellen Verlagsprogamme sind voll davon.
Wie kann die Klimakrise gezeigt werden?
Klimafiktion, so Kurator Jaccard, sei kein Genre, sondern ein «Label», das sich über sämtliche Gattungen erstreckt: von Science Fiction über Thriller, Krimis, Generationensagas und Gedichtzyklen bis hin zu Beziehungsgeschichten.
«Das Spektrum ist sehr breit. Der gemeinsame Nenner von Klimafiktion ist die Auseinandersetzung mit der globalen Erderwärmung», erklärt Jaccard.
Die Ausstellung will einen Überblick über die Vielfalt an klimafiktionalen Werken bieten. Anhand von typografisch ansprechend gestalteten Zitattafeln werden Klimatexte sämtlicher Genres vorgestellt.
Auf Bildschirmen lassen sich Aussagen von Schriftstellerinnen und Schriftstellern zu Umweltthemen verfolgen.
Überdies veranschaulichen Grafiken an den Wänden, was die Menschheit auf ihrem Planeten anrichtet. Alle Graphen klettern nach oben: Zunahme des Wasserverbrauchs, Zunahme der Anzahl ausgestorbener Tierarten, Zunahme des Tourismus.
Zwei unterschiedliche Ausblicke in die Zukunft
So weit, so erwartbar. Eine Überraschung hingegen sind jene zwei Bücher, die Rémy Jaccard und sein Team zu den Herzstücken der Ausstellung gemacht haben.
Sie stellen einer Utopie eine Dystopie gegenüber, ein optimistisches Zukunftsbild einem pessimistischen.
Bei dem optimistischen Werk handelt es sich um «Das Ministerium für die Zukunft» des US-amerikanischen Science-Fiction-Autors Kim Stanley Robinson. In dem Buch geht es darum, wie es der Menschheit gelingt, die globale Erwärmung zu stoppen. Dafür schafft sie eine neue Institution, das titelgebende «Ministerium für die Zukunft». Dieses ist in Robinsons Buch übrigens in Zürich angesiedelt.
Gut gealterte Dystopie
Besonders eindrücklich ist der gegenübergestellte, dystopische Text: Es handelt sich nämlich um einen hundert Jahre alten Hitzeroman des Waadtländer Schriftstellers Charles Ferdinand Ramuz.
«Présence de la mort» stammt aus dem Jahr 1922. Das Werk ist trotz seines Alters hochaktuell.
Anregung zur Übersetzung des Romans
Ramuz hat das Buch während eines Hitzesommers am Genfersee geschrieben. Er beschreibt darin die Folgen einer unaufhaltsamen Erderwärmung – und die Reaktion der Menschen darauf.
Denn diese wissen zwar, dass sie in eine Katastrophe rennen, verdrängen das aber. Die Parallelen zur Gegenwart sind offensichtlich. Am Ende kommt es zur Auslöschung allen Lebens.
Bislang gibt es von «Présence de la mort» keine deutsche Version. Erst jetzt, angeregt durch die Strauhofschau «Climate Fiction», wird der Roman übersetzt. Ramuz' Hitzetext ist damit ein besonderes Fundstück der Ausstellungsmacher.
Auszüge aus der deutschen Fassung, die derzeit am Entstehen ist, kann man im Strauhof jetzt schon hören. Mit Blick auf eine Video-Installation: einer auf eine schwarze Leinwand projizierten, heissen, heissen Sonne.