Das britische Künstlerpaar ist bekannt wie ein bunter Hund. Seit über 50 Jahren fallen die beiden auf – mit ihren Anzügen, britischer Höflichkeit, glatt gekämmtem Haar und ziemlich drastischen Bildern.
Gilbert trägt zur Pressekonferenz in der Kunsthalle Zürich einen grünen, George einen weinroten Tweed-Anzug. Von SRF auf die Treue zu ihrem Look angesprochen, bemerkt der Künstler lakonisch: «Sähen wir aus wie ungepflegte Hippies, kämen wir mit unseren Bildern nie ungeschoren davon.»
Sex, Tod, Angst, Religion
Tatsächlich sind Gilbert & George seit 1969 ein gut getarntes Enthüllungsteam. Die harmlos aussehenden Herren entlarven religiöse Dogmen, kämpfen für Freiheit, gegen Ausgrenzung und jede Art von Bigotterie.
In der Kunsthalle Zürich und bei Luma Westbau ist mit «The Great Exhibition» jetzt ein Überblick über 50 Jahre ihrer Arbeit zu sehen. Ihre Kunst dreht sich nicht um reine Linien und pure Formen. Gilbert & George geht es um das Leben selbst.
So zeigen sie in ihren stets grossen und farbigen Fotomontagen auch mal ejakulierende Penisse oder strecken den Betrachterinnnen und Betrachtern ihre nackten Hinterteile entgegen.
Gilbert & George bekämpfen Fundamentalismen aller Art – auf drastische und humorvolle Weise. Eines ihrer ersten Werke aus dem Jahr 1969 zeigt sie selbst, wie üblich schaut das schwule Paar unglaublich harmlos. Bloss steht unter ihren Köpfen: «Georg the cunt» und «Gilbert the shit».
Die Lust an der Provokation pflegen die beiden heute noch. Auf den neuesten Bildern der grossen Überblicksschau sind vollverschleierte Frauen zu sehen, kleine Behälter für die Partydroge Lachgas, die verdächtig an Bomben erinnern, und: viele Bärte. Hipster-Bärte, Islamisten-Bärte, jüdische Bärte, Sikh-Bärte. Dazu heben die Künstler mahnend die Arme, als seien sie unter die Priester gegangen.
Selbst im Bild
Gilbert & George sind in ihren Bildern immer präsent. Sie lassen selbst die Hosen runter oder tragen in ihren Gesichtern die riesigen Bärte. Das starke Image des Künstlerpaars und ihre Bilder lassen sich nicht trennen. Sie selbst sind die Kunst. Mit dieser Marketing-Strategie sind die beiden Briten sehr bekannt geworden.
Gilbert erklärt SRF auf Nachfrage: «Wir haben eine eigene Sprache entwickelt, die leicht zu lesen ist. Das ist eine ganz neue Art, Bilder zu machen. Fast wie Werbung.» Tatsächlich sind ihre Werke überdeutlich. Das kann auch langweilig werden. Ihre Bilder sind reine Oberfläche und bleiben an der Oberfläche.
Schwer fassbare Meister der Oberfläche
So lesbar ihre Werke sind, Gilbert & George selbst sind schwer fassbar. Sie bekämpfen Ausgrenzung jeder Art, sind aber für den Brexit. Sie wettern gegen Religion, sind aber überzeugte Royalisten. Sie sind stolze Mitglieder der Royal Academy, verspotteten den erlauchten britischen Club bei ihrer Aufnahme aber mit einem frechen Text.
Die wahre Kunst ist wohl, dass die beiden britischen Altmeister auch ihre Widersprüchlichkeit in ihr grosses Projekt der Selbstvermarktung integrieren.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 21.2.2020, 16:50 Uhr