Das französische Kollektiv Obvious hat ein Computerprogramm entwickelt, das nicht nur intelligent, sondern auch kreativ ist: Es kann Bilder malen. Eines dieser Bilder wird jetzt bei Christie’s versteigert.
Der Kulturwissenschaftler Klaus Siebenhaar meint: Es könnte sich eine ganz neue Konkurrenzsituation zwischen Mensch und Maschine ergeben.
SRF: Ein Künstlerkollektiv, das mithilfe eines Computerprogramms Bilder malt – ist das Kunst?
Klaus Siebenhaar: Die Maschine arbeitet ja nach Vorschrift. Das heisst, was da in New York versteigert wird, ist das Ergebnis einer Datenverarbeitung.
Und dann liegt es bei uns, ob wir einen solchen Prozess als künstlerisch akzeptieren. Nach den europäischen Regeln der Genieästhetik des 18. Jahrhunderts müsste ich sagen: Nein das ist keine Kunst, weil es nicht von einem Individuum nach eigenen Vorstellungen als Original entwickelt worden ist.
Wenn wir den heutigen Kreativitätsimperativ zugrunde legen, wo jede App schon als kreativ gilt, dann ist das Werk, das in New York versteigert wird, kreativ.
Es heisst ja, das Auktionshaus Christie’s will mit dem Verkauf dieses Werks den Markt für Kunst von künstlichen Intelligenzen testen. Hat diese Art von Kunst eine Zukunft oder ist das nur ein Gag, mit dem dieses Kollektiv auf sich aufmerksam machen will?
Die Geschichte selbst läuft schon seit fast zehn Jahren auf vollen Touren. Kunst, die künstliche Intelligenz geschaffen hat, ist längst in renommierten Galerien ausgestellt worden, zum Beispiel in der Serpentine Gallery.
Die Frage der Urheberschaft ist sehr komplex.
Das funktioniert immer nach dem gleichen Muster: Ein Mensch hat eine Idee und besorgt dann die notwendige Datenmenge. Das ist nichts wirklich neues. Spektakulär ist nur, dass zum ersten Mal solch ein Werk versteigert wird.
Müssen wir das Urheberrecht neu diskutieren?
Ja, auf jeden Fall. Die Anwälte reiben sich längst die Hände. Die Frage der Urheberschaft ist hier wirklich sehr komplex. Wer ist der Urheber: Derjenige, der die Grundidee hat, also ein Mensch? Die Maschine kann es noch nicht allein machen. Oder der Programmierer? Das wird in Zukunft noch sehr komplex.
Wird denn diese Entwicklung unseren Kunstbegriff, unseren Kulturbegriff womöglich komplett verändern?
Es wird ihn auf jeden Fall noch einmal erweitern. Was wir hier diskutieren, ist ja nur ein winziger Ausschnitt einer gewaltigen Bewegung. Noch stehen wir da ganz am Anfang.
Das wird den Kunstbegriff auf jeden Fall noch einmal erweitern.
Aber wie wir alle wissen: Wenn die Büchse der Pandora aufgemacht ist, dann gibt es kein Halten mehr. Von daher wird sich unter Umständen eine ganz neue Konkurrenzsituation zwischen Mensch und Maschine ergeben.
Das Computerprogramm, mit dem Obvious arbeitet, wurde zuvor mit rund 15'000 Bildern aus der Kunstgeschichte gefüttert. Ist das nicht fast so wie beim Menschen? Da sagt man ja auch, dass die Kreativität mit dem Wissen arbeitet, das schon in dem Menschen vorhanden ist. Kann man das vergleichen?
Nicht so richtig. Denn dort wird etwas eingegeben und dann werden Muster erkannt und kombiniert. Das ist also ein mechanisches Verfahren. Das menschliche Gehirn funktioniert ganz anders. Wir können das adaptieren. Wir können rekonstruieren. Wir können assoziieren. All das kann die Maschine noch nicht.
Das Gespräch führte Alice Henkes.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 24.10.2018, 6:50 Uhr