Vor einigen Wochen wurde die 16 Meter hohe aufblasbare Ente des Künstlers Florentijn Hofman in einem offiziellem Festakt ins Hafenbecken von Hongkong gebracht. Seither zog sie Hunderttausende von begeisterten Besuchern an. Politiker lobten die «grenzenlose Freude», die die Ente bescherte, und als man bei ihr zu Revisionszwecken für einige Tage die Luft ablassen musste, ging ein Aufschrei des Entsetzens durch die Stadt.
Erfolgsmodell Ente
Die Ente inspiriert: «Ist das jetzt Kunst? Und wenn ja, gute oder schlechte Kunst?» fragen sich Blogger und Twitterer. Künstlerische Diskussionen finden allerdings nur am Rand statt, in erster Linie freut man sich über die belebende Wirkung der Ente auf das Geschäft: Der Verkauf von Badeentchen schnellte in astronomische Höhen, Kuchen in Entenform boomen und Hotels vermieten Zimmer mit «Sicht auf die Ente».
Typisch Hongkong: Kunst ist hier vor allem ein Geschäft. Und fürs Geschäft bietet diese Businessmetropole die besten Voraussetzungen. Steuererleichterungen waren unter anderem ein Grund, weshalb die Art Basel Hongkong als Standort für ihren asiatischen Ableger wählte. Und natürlich ist Hongkong der ideale Platz, um die finanzkräftige neue Sammlerschicht in aufstrebenden Wirtschaftsmächten wie China zu erreichen.
Kulturelles Brachland
Die Hongkonger haben einen grossen Kunst-Nachholbedarf. In ihrer Stadt dreht sich alles ums Geschäft - Museen oder Institutionen für Gegenwartskunst sind Mangelware. Dem breiten Publikum fehlen Anschauung und Erfahrung. Viele Hongkonger verstehen Kunst daher als Geldanlage. Man findet in dieser Stadt sogar Investmentfirmen, die Portfolios mit renditeträchtigen Kunstwerken anbieten.
245 Galerien stellten vier Tage lang in der Messehalle Hongkong aus. Die Resonanz war gut. Das Publikum kam in Strömen, um sich die neuesten Trends der zeitgenössischen Kunst anzuschauen. Schulklassen in Uniform, Familien mit kleinen Kindern, aber auch der globale Kunst-Jetset waren hier anzutreffen.
Was sich gut verkauft, muss gute Kunst sein
Leider ist diese Rendite-Kunst vielfach von zweifelhafter Qualität. Doch in Hongkong verlässt man sich gerne auf den Markt, wenn es darum geht, die Qualität von Kunst zu bestimmen – nach dem Motto, was sich gut verkauft, muss gute Kunst sein. «Es fehlt an Kunsterziehung», sagt die Galeristin Pearl Lam, eine leidenschaftliche Kunstliebhaberin und Kunstsammlerin aus Hongkong. «Kunsterziehung heisst, Orte zu haben, wo man Kunst von höchster Qualität anschauen kann. Nur wenn man die besten Kunstwerke gesehen hat, kann man auch schlechte Kunst erkennen.»
Anschauung in Sachen moderne Kunst soll es dereinst in Hongkong genug geben. Geplant ist auf 40 Hektaren eines der grössten Kulturzentren weltweit, der West Kowloon Cultural District. Ein Museum für Gegenwartskunst mit Namen «M+» soll hier entstehen, das die Sammlung Sigg beherbergen soll. Der ehemalige Schweizer Botschafter und Kunstsammler Uli Sigg hat in 30 Jahren eine der bedeutendsten Kollektionen von chinesischer Gegenwartskunst angelegt. «Es war mir immer klar, dass meine Sammlung einmal nach China zurückkehren muss», sagt Sigg. «Die Chinesen sollen ihre Kunst sehen können, die sie selber gar nicht kennen.»
Über Kunst sprechen lernen
Nicht nur Museen fehlen bis jetzt in Hongkong, es gibt auch keinen Diskurs über Kunst. «Kunsterziehung», sagt Pearl Lam, «heisst auch über Kunst sprechen, lesen, sich weiterbilden. Kunst ist nichts anderes als Austausch.» Auch dies hat Uli Sigg erkannt, der in China einen Preis zur Förderung der Kunstkritik gestiftet hat. In einer durchökonomisierten Gesellschaft wie der chinesischen muss es unabhängige Stimmen geben, die nicht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten urteilen. Das asiatische Kunstpublikum muss Kritikkultur nach westlichem Verständnis noch lernen – und eine Kunstmesse wie die Art Basel Hongkong leistet dazu sicher ihren Beitrag.