In der DDR gab es angepasste Künstlerinnen und Künstler. Aber auch solche, die sich gegen das Regime auflehnten. Ihre Werke waren und sind kaum zu sehen.
Der Kunstwissenschaftler Paul Kaiser kritisierte dies öffentlich und löste damit eine Debatte aus über den Umgang mit Kunst aus DDR-Zeiten. Nun sind einige Museen daran, diese Zeit aufzuarbeiten. Kaiser selbst kuratiert eine Ausstellung im Leipziger Museum der bildenden Künste.
SRF: Was macht DDR-Kunst aus?
Paul Kaiser: DDR-Kunst als solche gibt es nicht. Es gibt sie nur in einem engen Zusammenspiel, als politisches Projekt, also politische Kunst. In dem Sinne: affirmativ kommunistische Kunst mit der DDR. Die Mehrheit der in Ostdeutschland entstandenen Kunst ist keine DDR-Kunst, sondern eine deutsche Kunst, die in den ostdeutschen Regionen entstanden ist.
Trotzdem wird dieser Kunst nachgesagt, sie sei entweder Diktatorenkitsch oder Kunst, die im Auftrag der Politik entstand. Ist das zu eng gesehen?
Die Grenzen sind fliessend. Blickt man auf die Biografien von Künstlerinnen und Künstlern, kann man nicht sagen. Der Künstler ist 40 Jahre lang ein Apologet des Systems gewesen. Im Gegenteil, eher typisch in diesen Laufbahnen sind harte Biografiebrüche.
Etwa bei Willi Sitte, der wohl bekannteste Künstlerfunktionär in der DDR. Er war bis zu seinem 40. Lebensjahr ein Dissident, dann erst machte er Karriere im System.
Ohne zu urteilen, es gab auch Künstlerinnen und Künstler, die Dissidenten blieben. Weshalb wird diese Kunst verkannt?
Das Problem der dissidentischen Kunst ist, dass sie sich folgenlos an der Reaktivierung und Revitalisierung der klassischen Moderne versucht hat. Wir wissen heute, dass es viel eigensinnige, eigenwillige Wege ostdeutscher Künstler gab, die es wert sind, in den Kontext einer gesamtdeutschen Kunstgeschichte aufgenommen zu werden.
Weshalb ist der Umgang mit der Kunst aus der DDR-Zeit so schwierig für viele Museen, vor allem im Osten?
Weil das Phänomen kontaminiert ist, mit sehr vielen Missverständnissen, vor allen Dingen zwischen Ost- und Westdeutschen.
Beim Zusammenwachsen nach der deutschen Wiedervereinigung wurde am Fall der bildenden Kunst ein Stellvertreterstreit entfacht. Seit 30 Jahren geht es darum, ob die im Osten geschaffene Kunst in den Kanon der gesamtdeutschen Kunstentwicklung überhaupt aufgenommen werden kann.
Das hat zu enormen Friktionen und Kränkungen auf Seiten der ostdeutschen Künstler und zu einem Überlegenheitsgefühl vieler Westdeutscher Museumsleute und Kritiker geführt.
Wie gehen die Künstler mit dieser Situation um?
Unterschiedlich. Es gibt wenige, für die es kein Problem war, in diesen westdeutsch gesamtdeutschen Kontext aufgenommen zu werden. Für die Mehrzahl war es aber eine riesige Existenzkrise, die nach 1989 spürbar war, weil es etwa keine Galerien gab.
Bis heute gibt es für diese Generationen der ostdeutschen Künstlerinnen keine nennenswerten Galerien oder Messen. Ihre Kunst konnte folglich gar nicht international zirkulieren.
Das hat sich erst seit einigen Jahren aufgelöst. Es gibt jetzt Museen, die sich dieser Kunst als einer nachholenden Gesamtbetrachtung der gesamtdeutschen Nachkriegskunst zuwenden.
Wenn es nach Ihrem Wunsch ginge: Wie soll der Umgang mit der Kunst aus DDR-Zeiten aussehen?
Der Wunsch wäre, dass Medienleute aus der Schweiz, Österreich oder Frankreich in fünf Jahren ihre Fragen nicht mehr mit der DDR-Kunst beginnen, sondern mit der legitimen Frage: «Was ist mit dem ostdeutschen Teil der gesamtdeutschen Kunstgeschichte passiert?»
Das Gespräch führte Vanda Dürring.