Unbelebte, dunkle Sozialbauten, hohe Blöcke mit schmalen Fenstern. Davor improvisierte Hütten aus Wellblech, Blachen und Plastiksäcken, sowie Kinder in bunten, schmutzigen Klamotten. Ein Bild aus Mumbai, aufgenommen vom Winterthurer Fotografen Georg Aerni. Die Regierung möchte die Wellblech-Hütten abreissen und die Menschen in die gleichförmigen Wohnungen zwingen.
In der gleichen Ausstellung, im Raum nebenan, die unverglasten Porträtbilder der Südafrikanerin Zanele Muholi. Sie hängen auf Augenhöhe und zeigen Menschen aus der Gay-Szene Südafrikas und Simbabwes. Wir blicken in die stolzen Gesichter von Lesben und Transmännern, gezeichnet vom Kampf um Selbstbestimmung und Anerkennung.
Verschiedenste Weltbilder
Komplett unterschiedliche Bilderwelten empfangen die Besucher in den zwei Stöcken des Zürcher Helmhauses. Vier Fotografinnen und vier Fotografen, zur Hälfte aus der Schweiz und dem Ausland, zeigen hier ausgewählte Werke ihres Schaffens.
Jede Fotografin, jeder Fotograf hat einen anderen Ansatz gewählt, um dem Ausstellungstitel «Welt – Bilder 5» gerecht zu werden. «In der Ausstellung sollen Bilder der Welt gezeigt werden, Bilder, die ein Äquivalent in der Realität haben. Sie sollen echt sein. Damit wollen wir auch bestehende Weltbilder hinterfragen», sagen die beiden Kuratoren Andreas Fiedler und Simon Maurer.
Darauf warten, dass nichts passiert
Bei einigen der oft gestochen scharfen Fotografien blicken wir in tiefe Abgründe. Zum Beispiel bei jenen des Deutschen Tobias Zielony, der Bilder aus der amerikanischen Kleinstadt Trona zeigt.
Lethargische, zugedröhnte Jugendliche, die nur darauf warten, dass nichts passiert. Die Bildserie aus dem Jahr 2008 wird begleitet von Zitaten aus einem Blog über Trona: «I hate it here, there is nothing.»
Einen anderen Zugang zum Weltbild findet der bekannteste der ausstellenden Fotografen, der Japaner Naoya Hatakeyama. Der 55-Jährige ist eine Hauptstrasse in Tokyo abgelaufen und hat dabei Details entlang seines Weges festgehalten. Es sind knallig bunte Bilder von Gebäuden, Signalen, Absperrungen oder Treppen. Menschen findet man auf seinen Bildern keine.
Menschen in widrigen Umständen
Die Fotos der Ausstellung sind formal, thematisch und technisch extrem unterschiedlich und doch tragen sie alle ihren Teil zur Erweiterung unseres eigenen Weltbildes bei. Ein Weltbild, das wir oftmals unreflektiert aus den Medien mit ihrer gleichförmigen Bilderflut übernehmen.
«Welt – Bilder 5» ist die fünfte Ausgabe einer Reihe, die mittlerweile 41 Fotografinnen und Fotografen umfasst. «Natürlich müssen die Ausstellungen separat funktionieren. Aber wir betrachten auch den ganzen Körper, der einen Überblick gibt, was Fotografie im 21. Jahrhundert sein kann», so die Kuratoren.
Die Fotografien halten Realitäten fest, machen Widersprüche sichtbar und erzählen Geschichten, wie wir sie kaum in Medien lesen. Die Ausstellung rückt Menschen ins Zentrum, die widrigen Umständen ausgesetzt sind, die kämpfen und verzagen. Diese Geschichten und Gesichter sind oft nicht schön, sondern unangenehm und erschreckend. Es sind Momentaufnahmen von Menschen und Momenten, die dann entstehen, wenn niemand sonst hinsieht.