Zwei nackte Unterkörper am Bauch zusammengewachsen, gebettet auf bunter Seide. Der eine männlich, behaart, mit rosa Penis. Der andere weiblich, dichte dunkle Schamhaare, ein Tamponfaden hängt aus geöffneten Schamlippen. Daneben liegen abgeschlagene Köpfe von ziemlich echt wirkenden Puppen. Cindy Sherman kennt keine Tabus. Unverfroren zeigt sie Geschlechtsteile, Erbrochenes, faulenden Abfall. Sie zeigt all das, was wir in unserer Gesellschaft als eklig, widerlich oder pervers empfinden.
Das Groteske und der Horror
Im Zentrum der Ausstellung, die zuvor in Oslo und Stockholm zu sehen war, steht das Groteske und der Horror in Cindy Shermans Werk. Die Idee dazu kam den Verantwortlichen, nachdem Sie 2012 eine Sherman-Retrospektive im Museum of Modern Art in New York gesehen hatten. «Es war eine sehr amerikanische Ausstellung. Sie klammerte die verstörendsten Fotos weitgehend aus. Zu explizite, offensive Bilder können in Amerika fast nicht gezeigt werden», sagt die Kuratorin Mirjam Varadinis. «Untitled Horrors» ist also die europäische Antwort auf diese harmlose, amerikanische Übersichtsschau.
Auf fast allen der 110 ausgestellten Fotografien ist Cindy Sherman selbst zu sehen: mal nur eine ihrer Hände oder die Nase inmitten von Unrat, dann wieder der ganze Körper, zusammengekrümmt oder in herrschaftlicher Pose. Sie bedient sich ihres eigenen Körpers, modelliert und inszeniert ihn oder greift auf Puppen und medizinische Prothesen zurück. Die Inszenierungen sind immer von Gewalt und Entstellung begleitet – mal surreal, dann wieder bedrückend realitätsnah.
Selbstporträts ohne Titel
Cindy Sherman ist eine Meisterin des Rollenspiels. Seit 40 Jahren inszeniert sie sich in Verkleidungen, mit Perücken auf dem Kopf, stark geschminkt oder mit falschen Zähnen, Nasen und Brüsten. Sherman leiht unterschiedlichen Typen der westlichen Gesellschaft ihren Körper und ihr Gesicht und stellt sie fotografisch dar. Es sind Selbstporträts ohne Titel. Dass sie die Bilder nicht benennt, sie anonym lässt und ihnen lediglich eine Nummer zuweist – beispielsweise «Untitled #132» – passt zu Cindy Sherman.
Die 60-jährige Amerikanerin überlässt es der Betrachterin, den dargestellten Personen einen Charakter zuzuweisen. Das schelmisch lächelnde Mädchen in gestreiftem Badeanzug und Flip-Flops etwa: Es gibt sich kindlich, hat es aber faustdick hinter den Ohren. Oder die alkoholgezeichnete, müde gewordene Hausfrau im roten Wollmantel, die Hände rotgescheuert. Shermans Fotos sind vom Alltag inspiriert, und von Bildern, die uns das Fernsehen täglich entgegenschleudert.
Eine Ausstellung für Hartgesottene
Was das Kunstmuseum Zürich hier zeigt, ist eine Ausstellung für Hartgesottene. Roh und direkt hinterfragt sie unsere Wahrnehmung von Identität, Existenz, Mensch und Körper, unser Verständnis von Schönheit und Schrecken.
Unterstützt wird diese Auseinandersetzung von der unkonventionellen Hängung der Bilder: Schräge Wände und verwinkelte Achsen ermöglichen es, Bilder, die ursprünglich nicht zusammengehören, gemeinsam zu betrachten. Die Fotos sind wolkenartig, eng neben- und übereinander oder übers Eck aufgehängt. Die Bilder folgen keiner offensichtliche Reihenfolge, was die verstörende Wirkung, die sie auf die Betrachterin haben, noch verstärkt.
Eine mutige Ausstellung, bei deren Besuch man die Kinder aber unbedingt zu Hause lassen sollte.