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Bild 1 von 9. Steve McCurry, Afghan Girl. Das berühmteste Bild des Reportagefotografen zeigt ein afghanisches Flüchtlingsmädchen. Ihr geheimnisvoller Blick zieht uns magisch an. Der grüne Hintergrund nimmt die Augenfarben auf und stellt als Komplementärfarbe zum Rot der Kapuze den Kopf des Mädchens perfekt frei. Die ganze Komposition gibt dem Gesicht eine besondere Betonung. Bildquelle: Magnum/Steve McCurry.
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Bild 2 von 9. Henri Cartier-Bresson, Griechenland (1963). Cartier-Bresson erkennt in seiner Umwelt, welche Situationen eine besondere Ausstrahlung haben und fotografiert diese zum genau richtigen, oft einzig möglichen Moment, wenn sich alle Elemente im Bild perfekt zusammenfügen. Höchste Perfektion trotz knapper Zeit: Das Mädchen ist am einzig möglichen Ort, alle Elemente passen perfekt zusammen. Bildquelle: Magnum/Henri Cartier-Bresson.
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Bild 3 von 9. Raymond Hoffmann, Kirkjufel. Der deutsche Fotograf besitzt ein grosses Talent für Landschaftsaufnahmen. Der Berg ragt harmonisch aus der Landschaft und das Gegenlicht der tiefen Sonne modelliert ihn wunderschön dreidimensional. Es ist windstill und die Spiegelung glasklar, die Grün- und Blautöne erzeugen eine sanfte, fast monochrome Farb- und Lichtstimmung. Bildquelle: Raymond Hoffmann.
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Bild 4 von 9. Sandra Bartocha, Illuminationszauber. Herausragende Bilder brauchen nicht immer spektakuläre Motive. Die deutsche Fotografin findet überall Orte für ihre magischen Naturaufnahmen. Dieses Bild eines Waldes bei Potsdam lebt von Mehrfachaufnahmen und wechselnden Schärfenebenen und dem weichen, gelben Licht der untergehenden Sonne. Formen und Farben spielen perfekt zusammen. Bildquelle: Sandra Bartocha.
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Bild 5 von 9. Martin Zurmühle, Rockland. Hier passt alles perfekt zusammen: der formschöne Hintergrund mit den fein abgestuften Grauwerten, die Spiegelung im ruhigen Flusswasser und das weiche Licht, das die Felsen und den Körper modelliert. Verstärkt wird die Komposition durch die Wasserfläche mit den gespiegelten Felsen und das harmonische Einfügen des Modells in die Felsstrukturen. Bildquelle: Martin Zurmühle.
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Bild 6 von 9. Mecuro B Cotto, Lichtzauber. Formen und Licht sind die Bausteine der Fotografie des Russen Mecuro B Cotto. Die Magie der Aufnahme entspringt der traumhaften Lichtstimmung im Gegenlicht der tiefstehenden Sonne. Solche Stimmungen sind Glücksfälle, es braucht die Erfahrung, um dieses Potenzial zu erkennen und eine solche Aufnahme zu realisieren. Bildquelle: Mecuro B Cotto.
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Bild 7 von 9. André Brito, Aktaufnahme im Studio. Aktaufnahmen im Studio zelebrieren die Schönheit des Körpers. Aber nur selten gelingt eine so formschöne und kraftvolle Aufnahme wie bei diesem Paar. Der portugiesische Fotograf André Brito ist ein Magier des Lichts, der die Körper spannungsvoll herausarbeitet. Trotz der grossen Kraftanstrengung für die akrobatische Pose wirkt es locker und leicht. Bildquelle: André Brito.
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Bild 8 von 9. Allen Russ, Flight 93 National Memorial. Der Amerikaner wählte bei der Aufnahme des Flight 93 National Memorial den perfekten Zeitpunkt. Die Wirkung basiert auf der eindrücklichen Stimmung mit den gelben Wolken und den ersten Sternen im dunkelblauen Himmel. So spricht der Fotograf den Betrachter mit einer formschönen Komposition und der speziellen Lichtstimmung umfassend an. Bildquelle: Allen Russ.
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Bild 9 von 9. Peter Franck, Tisch-Geschichten. Der deutsche Maler und Fotograf denkt normalerweise in Serien, dieses Bild entstammt einer Serie von Tischen und darunterliegenden Modellen. Es hat aber eine so hohe visuelle Kraft, dass es auch einzeln bestehen kann. Die seltsame vertikale Perspektive erzeugt eine grosse Tiefenwirkung und einen surrealen Effekt. Bildquelle: Peter Franck.
Wir leben gegenwärtig in einer Bilderflut. Noch nie war die Konkurrenz unter den Fotos so gross wie heute. Jeder fotografiert, beinahe überall und jederzeit. Lichtempfindlichkeit, Tiefenschärfe, Belichtungszeit, Farben, Filter und Kontraste – alles automatisch. Die passenden Einstellungen wählt die Kamera oder das Bildbearbeitungsprogramm. Ist das Fotografieren heute zu einem Kinderspiel geworden? Ist es heute einfacher, ein gutes Foto zu machen?
Ja und nein! Dank der Technik und insbesondere dank der sofortigen Bildkontrolle nach der Aufnahme und der praktisch kostenlosen Möglichkeit, so viele Aufnahmen wie gewünscht zu machen (was sich früher nur die Profis leisten konnten), ist es einfacher geworden, gute Aufnahmen zu machen. In der heutigen Bilderflut ist es aber auch viel schwieriger geworden, die «Spreu vom Weizen» zu trennen. Es ist nicht einfach, die wirklich starken Aufnahmen aus dieser Masse an meistens belanglosen Bildern herauszupflücken. Dazu braucht es schon einiges an Erfahrung und Wissen.
Worin besteht denn das Geheimnis herausragender Bilder?
Herausragende Bilder sprechen uns als Betrachter umfassend an. In der Malerei vermögen uns abstrakte Gemälde mit ihrer Reduktion auf wenige Formen und Farben kaum zu berühren, während uns zum Beispiel Gemälde des Impressionismus mit ihren Kompositionen und Farben, ihren angedeuteten Geschichten und den durch die Licht- und Bildstimmung vermittelten Gefühlen viel stärker ansprechen. Das Gleiche gilt auch in der Fotografie. Eine formale Strenge und eine gekonnte Bildkomposition reichen in der Regel nicht aus, wir müssen den Betrachter auch auf seiner gefühlsmässigen Seite ansprechen, um wirkungsvolle und herausragende Bilder zu gestalten. Und natürlich braucht es auch auf der Seite des Fotografen ein gutes Stück Kreativität und vielleicht auch Genialität, um sich von der Masse abzuheben.
Wir sehen in der Regel schnell, ob uns ein Foto gefällt oder nicht. Meist können wir jedoch nicht sagen, warum es uns gefällt oder was uns an ihm stört. Worauf sollte man achten bei der Analyse und Bewertung von Fotografien?
Wir dürfen uns nicht zu sehr nur auf unseren Geschmack berufen. Dieser ist und soll sehr subjektiv sein, bestimmt aber nicht die Qualität einer Aufnahme. Je fachkundiger wir in der Fotografie werden, desto besser erkennen wir die Qualität einer Fotografie, unabhängig davon, ob sie uns auch persönlich gefällt oder nicht. Diese Fähigkeit gehört zu den Schlüsselqualifikationen eines Wettbewerbsjurors, der sich nicht von seinem Geschmack leiten lassen darf, sondern die Qualität der Bilder möglichst neutral bewerten muss. Auch dazu braucht es eine langjährige intensive Beschäftigung mit der Fotografie. Die Qualität einer Aufnahme hängt nämlich von vielen verschiedenen Faktoren ab: Technik, Komposition, Wirkung, aber auch Motivwahl, Bildidee und Zeitgeist.
Oft ist es die Bildsprache einer Fotografin, die uns fasziniert: Nicht das Motiv, sondern die Art, wie es in Szene gesetzt wird. Bald erscheint ein neues Buch von Ihnen, das sich den unterschiedlichen Bildsprachen zeitgenössischer Fotografen widmet. Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen der individuellen Handschrift einer Fotografin und ihrer Persönlichkeit? Spiegelt sich der Fotograf in der Sprache seiner Bilder?
Das ist meiner Meinung nach ein Schlüsselkriterium für eine individuelle Bildsprache. Für mich sollten diese drei Eigenschaften zeigen: Originalität, Authentizität und Kreativität. Die Bilder des Fotografen sollten keine Kopie oder Nachahmung einer bereits bekannten Bildsprache sein, sondern eigenständig wirken. Sie sollten sich aber auch nicht am allgemeinen Geschmack der Betrachter orientieren, sondern aus der Persönlichkeit des Fotografen entstammen und authentisch sein. Ich glaube, der Fotograf muss so fotografieren, er kann nicht anders. Und seine Bildsprache sollte uns seine eigene und uns anregende Kreativität zeigen. Je ehrlicher und authentischer eine Bildsprache ist, desto mehr erzählt sie uns auch über den Fotografen und desto interessanter wird sie für den Betrachter.