Der Mensch der Zukunft ist mobil. Er wohnt in Flughafennähe, immer auf dem Sprung, immer bereit, sofort weiterzuziehen. Deswegen ist seine Wohnung keine Bleibe mehr, sondern ein funktionaler Ort, an dem man seine wenigen Habseligkeiten übersichtlich hinstellen kann. Man stöpselt sich ein, verkabelt sich mit der Welt – und ist im Nu wieder weg.
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Dieses Szenario einer Wohnform der Zukunft schlägt Designer Konstantin Grcic vor. Er hat vom Vitra Design Museum in Weil am Rhein den Auftrag bekommen, drei Bereiche der Zukunft zu imaginieren – die des Designs, die der Gesellschaft und die des Wohnens.
Der mobile Wohnort für den vernetzten Menschen
«Life space» heisst dieser mobile Wohnort. Grcic hat seiner Vision eine Bühne gebaut. Vor einem riesigen Fenster, das auf einen Flughafen führt, hat er eine Wohnung aufgebaut. Das braune Material des Bodens und der hüfthohen Trennwände erinnert an Spanplatten. Auffallend viele Stecker und Steckdosen versinnbildlichen den vernetzt lebenden Menschen. Diese Szenografie ist spärlich bestückt mit Grcics Möbeln – ein Sessel, eine Liege, ein Garderobenständer. Auch Natur gibt`s: Sie wuchert üppig grün – ist jedoch weg gesperrt hinter einem Vorhang wie in einem Vivarium.
Ein starkes Statement ist diese Vision: Die Schlagworte der Gegenwart, Mobilität und Entwurzelung, hat Konstantin Grcic ins Extrem weiter gedacht. Als seherische Vision will Grcic sein Statement allerdings nicht verstanden wissen, sagt er im Gespräch. Er biete eine Möglichkeit, beziehe Stellung und wolle somit die Diskussion über die Zukunft anregen.
Bestechendes Ausstellungskonzept
Das Konzept der ersten grossen Einzelausstellung zu Konstantin Grcic ist bestechend. Das Vitra Design Museum verzichtet auf eine klassische Retrospektive mit Objekten. Vielmehr überlässt sie ihr Terrain dem Designer und lässt ihn das Museum in eine Denkfabrik verwandeln.
Weiter hat Konstantin Grcic über den zukünftigen Arbeitsraum eines Designers nachgedacht. Auch dazu hat er eine Kulisse geschaffen. Eine lila beleuchtete Felswand situiert den Ort inmitten einer Höhle. Eine grosse Industrieleuchte (Design: Grcic) strahlt auf einen doppelstöckigen gigantisch langen Tisch. Hier stehen Prototypen von Grcics Objekten. Der Designer – ein klandestiner Tüftler im Verborgenen?
Die Vision vom urbanen Raum der Zukunft
Titelgebend ist schliesslich der dritte Raum: ein über 30 Meter langes Panorama einer Stadtansicht zeigt Konstantin Grcics Vision des urbanen Raums der Zukunft: Hochhäuser bilden Strassenfluchten, darüber fliegen seltsame Objekte. Visuell ist das bestechend umgesetzt, als Diskussionsgrundlage jedoch nicht sonderlich überraschend.
Ganz verzichten mochte man bei dieser Einzelausstellung dann wohl doch nicht auf eine Art Werkschau. Konstantin Grcic hat wie in einem Notizbuch Erlebnisse und Gedankengänge festgehalten, die ihn zu seinen Objekten inspirierten. In Vitrinen sind sie ausgestellt und angereichert mit persönlichen Gegenständen des Künstlers: Eine Teekanne gibt es da oder ein Reclam-Heft.
Die Denkarbeit gehört zum Designprozess dazu? Spätestens hier begreift man, was Konstantin Grcic damit meint.