Es ist eine märchenhafte Geschichte: Die Geschichte des Lenzburgers Henry Leutwyler, der von der Fotoschule Vevey abgelehnt wurde, und der in Lausanne vergeblich versuchte, sich als Fotograf zu etablieren.
Michelle Obama und Julia Roberts
Vor 25 Jahren brach Henry Leutwyler nach New York auf, in die Welthauptstadt der Modemagazine und der Werbung. Dort brachte er es zu einem der grössten seiner Zunft. Heute ist er ein gefragter Magazinfotograf, unzählige Berühmtheiten hatte er schon vor der Linse - von Beyoncé über Michelle Obama bis zu Julia Roberts.
«Der beste Job in New York»
Doch seine eigentliche Leidenschaft ist das klassische Ballett. Als er vor fünf Jahren erstmals den Auftrag erhielt, die alljährliche Werbekampagne für das New York City Ballet zu fotografieren, war das für ihn ein Glücksmoment.
Denn seinen Job mache er nicht wegen des Geldes, sondern wegen genau solcher Aufträge, so Leutwyler.
Immer wieder hat der Schweizer seither das New York City Ballet fotografiert. Und dabei eine Bildsprache entwickelt, die die Compagnie unverwechselbar macht. Wie Diamanten funkeln die Körper vor dunklem Hintergrund. Ist die Bildsprache klassisch, sind es die Posen der Ballerinas nicht. Sie stehen freundschaftlich zusammen, scherzen, oder demonstrieren lustvoll und spielerisch leicht ihre Künste. Leutwyler präsentiert sie nicht als Puppen, sondern als junge Menschen mit Persönlichkeit, Ausstrahlung, Leidenschaft und umwerfendem Charme.
«Die Ballettsprache kenne ich»
«Ballet. Photographs of the New York City Ballet», der nun im Steidl-Verlag erschienene, 436-seitige Band vereint Fotografien aus mehreren Jahren. Ein Langzeitprojekt, das seinen Gehalt aus der zeitlichen Tiefe schöpft, aus den vielen Wochen, die Henry Leutwyler hinter den Kulissen der New Yorker Bühne verbrachte.
«Mittlerweile kenne ich die Ballettsprache. Ich weiss, wann es schön ist. Hingegen wäre ich ein guter Sportfotograf. Ich verstehe Sport nicht und ich kann mit ihnen nicht kommunizieren», so Leutwyler.
Im Buch wechseln farbige Hochglanzbilder aus der Werbekampagne ab mit flüchtigen, oft verwischten Fotografien aus der Hand.
Kontrapunkt zur Werbeästhetik
Diese poetischen Momente erinnern an Edgar Degas‘ sensible Pastelle, sie sind malerisch und intim. Henry Leutwyler hat sie als stiller Beobachter hinter den Kulissen des Ballettbetriebs festgehalten. Ohne schweres Equipment und Mitarbeiterstab, schaffen diese künstlerischen Aufnahmen von Übungsstunden, Umkleideräumen und geschundenen Füssen einen Kontrapunkt zur makellosen Werbeästhetik.
Das Buch hält so die Ballettwelt aus zwei unterschiedlichen Perspektiven fest: im Scheinwerferlicht und im Schatten, die Schau- und die Kehrseite, Illusion und Wirklichkeit, Freud und Leid. Ein zauberhafter, in seiner Art einzigartiger Einblick in eine verborgene Welt.