An der Kunst- oder Architektur-Biennale in Venedig kann den Besucherinnen und Besuchern bald einmal der Kopf brummen: Die Bilderflut ist enorm, die Eindrücke gewaltig, das Spektakel unüberblickbar. So wird es dieses Jahr sein, so war es an der Architektur-Biennale in Venedig 2012.
Im Zentralen Pavillon aber geschah im letzten Sommer etwas Erstaunliches: Die Besucher wurden plötzlich stiller, langsamer und konzentrierter. Plötzlich war die ganze Aufgeregtheit weg. Dabei hatte dort der Schweizer Architekt Roger Diener für sein Ausstellungsprojekt «Common Pavilons» etwas eigentlich durch und durch Altmodisches gemacht: Er hat den italienischen Fotografen Gabriele Basilico beauftragt, sämtliche Länderpavillons in den Giardini zu porträtieren - begonnen beim ältesten, beim Belgischen Pavillon, der 1907 erbaut wurde, bis zum Koreanischen, der 80 Jahre später im Park erstellt wurde. Basilico hat die Pavillons, alles kleine Architekturpreziosen, menschenleer und von aussen fotografiert.
Wundebar nüchtern und analytisch präzis
Analytisch präzis und trotzdem voller Atmosphäre – so wirken Basilicos Schwarz-Weiss-Fotografien und sie zeigen, wie diese Kleinstarchitekturen mit dem Park im Dialog stehen. Dazu kommen Blicke in die Pavillon oder Blicke aus dem Pavillon hinaus.
Diese wunderbar nüchternen, grossformatigen Schwarz-Weiss-Fotografien hat Roger Diener 2012 auf einer Holzleiste entlang der Wand aufgestellt. Und: Diener hat Künstler, Philosophinnen und Architekten eingeladen, je einen Text über den Pavillon ihres Landes, seiner Geschichte und der ideellen Identität zu schreiben. Diese Texte hat Roger Diener schliesslich wie grosse Folianten auf einem über 100 Meter langen Tisch gelegt.
Das Resultat waren eben jene stille Konzentration und die Erkenntnis, dass Kultur- und Architekturgeschichte, Politik und Mentalitätsgeschichte die Giardini wie ein dichtes Geflecht durchdringen. Die Länderpavillons lassen sich als Längsschnitt durch die Geschichte der europäischen Architektur lesen.
Pavillons mit Vergangenheit
In den Pavillons steckt eine Menge politische Vergangenheit: So wurde der monumentale Deutsche Pavillon von den Nazis 1939 zusätzlich vergrössert und mit Fenstern versehen, um eine noch imposantere Raumwirkung zu haben. Nach wie vor bekunden die deutschen Kuratoren Mühe mit ihrem Pavillon, obwohl nachträglich Teile zurück gebaut wurden.
Eine weitere Reise in die Vergangenheit bietet der serbische Pavillon im nördlichen Teil der Giardini. Er wurde 1932 gebaut und über der Eingangstür steht in grossen, eingemauerten Buchstaben «JUGOSLAVIA». Wer den Pavillon betritt, durchschreitet unweigerlich Geschichte.
Roger Dieners Ausstellung über die Länderpavillons war eines der Highlights der Architektur-Biennale 2012. Die dokumentarischen Schwarz-Weiss-Aufnahmen und die klugen Texte dazu ergeben zwischen zwei schweren Deckeln nun auch ein grossartiges Buch.