Lange hat man darauf gewartet, nun ist der Entscheid offiziell: Das Kunstmuseum Bern übernimmt die Kunstsammlung von Cornelius Gurlitt. Die Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland, dem Freistaat Bayern und der Stiftung Kunstmuseum Bern ist in Berlin vorgestellt worden (mehr dazu).
Allerdings gelangen nicht alle der geschätzt 1600 Werke nach Bern. Knapp 500 Werke stehen im Verdacht, NS-Raubkunst zu sein. Und zurückgegeben wird von Bern jedes Kunstwerk, das gemäss der Recherchen der deutschen Expertengruppe Taskforce Schwabinger Kunstfund NS-Raubkunst ist. Das war klar, denn als öffentliches Haus ist das Kunstmuseum Bern verpflichtet, die Washingtoner Prinzipien zu berücksichtigen und für NS-Raubkunst faire und gerechte Lösungen zu finden.
Was passiert mit der «entarteten Kunst»?
Bemerkenswert ist, dass die strengere deutsche Rechtsauffassung ausschlaggebend ist. Demnach werden alle Kunstwerke, die «verfolgungsbedingt entzogen wurden» zurückgegeben. Also nicht nur jüdischen Sammlern geraubte Kunstwerke, sondern auch Kunstwerke, die beispielsweise zur Fluchtfinanzierung von jüdischen Sammlern noch verkauft wurden.
Aber in der Sammlung Gurlitt befindet sich nicht nur NS-Raubkunst, sondern auch ein grösseres Konvolut an Kunstwerken, die 1937 von den Nationalsozialisten in (hauptsächlich) deutschen Museen als sogenannt «entartet» beschlagnahmt wurden. Wiederum knapp 500 Werke der Sammlung Gurlitt sind betroffen. Diese Werke gelten nicht als Raubkunst und sie können bis heute legal gehandelt werden.
Keine Musterlösung
Das Kunstmuseum Bern gibt solche «entartete» Werke nicht an die Museen zurück. Auch wenn deutsche Experten wie etwa Jutta Limbach von der gleichnamigen Limbach-Kommission, sich erst kürzlich ausdrücklich dafür ausgesprochen hatten. Hier strebt Bern also keine Musterlösung an, will allerdings Leihanfragen von betroffenen Museen «prioritär» behandeln.
Überhaupt: Der Teufel steckt im Detail. Seit Monaten fordern Provenienzforscherinnen und -forscher, dass Hildebrand Gurlitts Geschäftsbücher öffentlich einsehbar werden. In diesen Büchern erhoffen sich Forscher wichtige Hinweise auf Provenienzen: Wann kaufte Hildebrand Gurlitt was zu welchem Preis? Und vor allem: von wem?
Wie viel verraten die Geschäftsbücher?
Für viele jüdische Kunstsammlungen haben sich keine Inventare erhalten, keine Kaufquittungen, nichts. Nur die Geschäftsbücher der Händler geben Hinweise darauf, was sich überhaupt in diesen Sammlungen befand.
Mit dem Tag des Entscheides für das Kunstmuseum Bern sind nun auch Gurlitts Geschäftsbücher auf der Plattform Lostart öffentlich zugänglich. Allerdings mit Rücksicht auf die Persönlichkeitsrechte Dritter – also mit geschwärzten Namen. Ob die Einträge dann noch von Nutzen sind, wird sich weisen.