Sein Blick ist nachdenklich und stark zugleich. Die Augen blicken schlau durch eine runde Brille, die ihm hoch auf der schnurgeraden Nase sitzt. Fotos und unzählige Selbstporträts geben Auskunft über das Wesen von Heinrich Danioth.
Denn Danioth war Denker und Macher zugleich. Einer der Gegensätze in sich vereinte und bei seinem Tod 1953 ein vielfältiges Werk hinterliess. Er zeichnete, karikierte und malte. Er schrieb Gedichte und fast sein ganzes Leben lang Tagebuch.
Beobachten, schreiben, zeichnen
1896 in Altdorf geboren, fällt er früh durch seine Beobachtungsgabe auf. Er hält fest, was er sieht, und erlebt, zeichnend und schreibend. Bald weiss er, wohin er möchte: Das Gymnasium bricht er ab, um Maler zu werden.
Er saugt seine Umgebung und ihre Menschen in sich auf, verinnerlicht sie, um sie in allerbestem Wissen aufs Papier zu bannen, sie dem Betrachter möglichst so zu zeigen, wie er sie kennt. Die schroffe Landschaft der Urner Alpen, die satten Wälder um den Vierwaldstädtersee, Bauernfamilien, Arbeiter, sie alle macht er zu «seiner künstlerischen Beute», wie er schrieb.
Danioth malt naturalistisch, vor allem Landschaften und Porträts. Doch sein Strich tendiert schon in jungen Jahren dazu, etwas aus dem Ruder zu laufen, in Expressionismus überzugehen. Auch hat er einen Hang zum Karikieren, ohne dabei zu sehr von dem, was er für wahr hält, abzuweichen.
Eine Ausstellung voller Gegenüberstellungen
Die Ausstellung im Haus für Kunst schält diese Stilmerkmale Danioths heraus, indem sie seine Werke den Bildern von Zeitgenossen gegenüberstellt. Auf drei Stockwerken hängen die Danioths neben Gemälden der Schweizer Varlin und Ferdinand Hodler oder den deutschen Expressionisten Emil Nolde und Ernst Ludwig Kirchner. Mit diesen Konfrontationen möchte Kuratorin Barbara Zürcher dem Künstler Heinrich Danioth den Stempel des Heimatmalers abwaschen, möchte ihn in einen nationalen, sogar einen internationalen Kontext einfügen.
Und es funktioniert. Denn betrachtet man die Werke der verschiedenen Künstler, wird klar, dass Danioth mit seinen bekannteren Zeitgenossen durchaus mithalten kann – auf formaler wie inhaltlicher Ebene. Auch wenn der älteste – Hodler – und der jüngste – Varlin – sich stark unterscheiden, in Danioths Bildern findet man Spuren von beiden, von Hodlers Naturliebe genauso wie von Varlins bunten Farbkombinationen.
Zu modern!
Mit 29 Jahren geht Danioth nach Karlsruhe, um Kunst zu studieren. Danach erhält er in der Schweiz seine ersten öffentlichen Aufträge für Wandmalereien. Er heiratet und bekommt einen Sohn und zwei Töchter.
Die junge Familie leidet unter chronischem Geldmangel, obwohl Danioth auch Grafikaufträge annimmt und Porträts im Auftrag malt. Sein Stil beginnt sich zu verändern, immer wieder zieht er sich zurück in die Berge, um zu seinem intuitiven Strich zu finden.
In der Folge nimmt er Abstand vom Expressionismus, malt abstrakter, ohne je das Gegenständliche zu verlassen. Seine Arbeiten am Bundesbriefmuseum in Schwyz und auch der Teufel in der Schöllenenschlucht provozieren in der Öffentlichkeit und in den Medien wahre Kulturstreite. Vielen sind seine Umsetzungen von Schweizerischem Kulturgut zu kühn und es bedarf prominenter Fürsprecher. Ihnen ist es zu verdanken ist, dass die Werke Danioths bis heute im öffentlichen Raum zu sehen sind.
In Uri eine Institution, im Rest der Schweiz noch ein Mauerblümchen
Danioths Schaffen wird jäh beendet, als er 1953 an einem Gehirntumor im Alter von 57 Jahren stirbt.
In Uri bleibt er unvergessen, einer der Ihrigen, der es als Künstler mit den künstlerischen Grössen des 20. Jahrhunderts aufnehmen kann. Vor allem aber bleibt er in seinem Werk präsent, in seinen Schriften und Bildern, als humorvoller Dokumentalist, als urchiger Feingeist, der Tradition mit einer modernen Bildsprache zu vereinen suchte. Ein Künstler, den es für den Grossteil der Schweizer erst noch kennenzulernen gilt.