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Eine Collage aus Werken von Kandinsky, Mondriaan und de Saint-Exupéry.
Legende: Wenn Bilder gemeinfrei sind, darf man sie weiterbearbeiten – das hat auch unsere Bildredaktorin gemacht. Wikimedia/Vassily Kandinsky/Piet Mondriaan/Antoine de Saint-Exupéry (Montage SRF)

Kunst Kandinsky, Mondrian und der «Kleine Prinz» gehören uns allen

Die Public Domain ist sein Tummelfeld. Der österreichische Künstler Mario Purkathofer macht aus Werken von Künstlern, die seit mindestens 70 Jahren tot sind, neue Kunst.

Der 1. Januar ist jeweils ein besonderer Tag für den Zürcher Künstler und Kurator Mario Purkathofer. Während anderen nach einer langen Silvesternacht der Schädel brummt, feiert Purkathofer den Public-Domain-Day.

Jeweils am Neujahrstag fallen Werke von Künstlerinnen und Autoren, die im vergangenen Jahr vor 70 Jahren gestorben sind, in die Public Domain – sie werden zum öffentlichen Eigentum. Denn 70 Jahre nach dem Tod verfällt das Urheberrecht.

Jetzt erlaubt: remixen, nachdrucken, kopieren!

2015 wurden grosse Namen wie Edvard Munch, Wassily Kandinsky, Piet Mondrian oder Antoine de Saint-Exupéry in die Liste aufgenommen. Sie alle sind 1944 gestorben, ihre Werke darf nun jedermann remixen, nachdrucken, kopieren oder bearbeiten.

Der Medienkulturvermittler Mario Purkathofer beschäftigt sich schon seit zehn Jahren mit Public-Domain-Werken. In der Roten Fabrik in Zürich betreibt er mit anderen Künstlern das Dock18, ein unabhängiges Institut für Medienkulturen. Zusammen mit Künstlerinnen, Programmierern und Designern bearbeitet oder verfremdet Purkathofer Werke von Künstlern, die seit 70 Jahren oder mehr tot sind.

Dock18 und Re:Public Domain

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Mario Purkathofer betreibt mit anderen Künstlern Dock18 – ein unabhängiges Institut für Medienkulturen. In der Roten Fabrik und online. Dort enstand auch Re:Public Domain : Ein «generationenübergreifendes Format mit alten Werken und neuen Tools». Da wird gefragt: Darf das Landesmuseum das Copyright auf gemeinfreie Bilder verwenden? (Antwort: nein).

Das kulturelle Gedächtnis der Menschheit

Historische Werke – egal welchen Genres – zu entdecken, zu remixen, zu publizieren und mit ihnen eine Brücke zur Gegenwart zu schlagen, sei eine spannende Herausforderung, so Purkathofer. Public Domain heisse ja nichts anderes als öffentliches Eigentum. Historische Werke seien das kulturelle Gedächtnis der Menschheit und gehörten deshalb uns allen. «So viele Jahre nachdem da Vinci gestorben ist, gehört die Mona Lisa uns.»

Damit alte Werke aufgeführt oder bearbeitet werden können, stellt das Dock18 Kunstschaffenden Werkzeuge, Maschinen oder 3D-Drucker zur Verfügung. «Wir haben eine Sammlung zeitgenössischer Tools und künstlerischer Gestaltungsstrategien, mit denen alte Werke bearbeitet und aufgeführt werden können.»

Google übersetzt, eine Software liest

Vor einigen Jahren hat Purkathofer zusammen mit 24 Künstlern « Ulysses » von James Joyce vertont. Zuerst wurde das 500-seitige Werk mit Google Translate auf Deutsch übersetzt. Dann wurden die englischen Namen im Buch durch schweizerische ersetzt. «Ich habe alle meine Facebook-Freunde reingeschrieben», sagt Purkathofer. Anschliessend wurde der gesamte Text von einer Software gelesen. Am Ende wurde die 30-stündige Aufnahme in 24 Teile zerlegt. «Künstler haben die einzelnen Abschnitte dann individuell vertont.» Das Werk konnte man schliesslich auf einem MP3-Player kaufen.

Auch der 1942 in Genf verstorbene österreichische Autor Robert Musil war Teil einer Produktion. Purkathofer druckte den ersten Teil von Musils Hauptwerk «Der Mann ohne Eigenschaften» in Spiegelschrift. «Zum Buch gibt es jeweils einen Spiegel, das ist eine verblüffende Lesemaschine», erklärt Purkathofer.

Literarische Lesung im Dock18

In einer aktuellen Arbeit steht der österreichische Schriftsteller Felix Salten im Zentrum, der vor genau 70 Jahren, am 8. Oktober 1945 in Zürich, gestorben ist. Salten hat 1923 die Geschichte des jungen Rehs Bambi geschrieben. Eine Figur, die später durch Walt Disney Weltruhm erlangte.

Neben «Bambi» hat Salten auch die Geschichte der Wiener Prostituierten Josefine Mutzenbacher geschrieben. Anfang Oktober hat die Wiener Historikerin und Aktivistin Helga Christina Pregesbauer nun diese andere Seite des Bambi-Erfinders gezeigt. Im Dock18 hat sie eine literarische Bearbeitung von « Josefine Mutzenbacher – Tagebuch einer Dirne » gelesen. Direkt im Anschluss wurde der Disney-Film gezeigt – natürlich mit einem neuen Soundtrack.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 20.10.2015, 16:45 Uhr

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