In einer konzertierten Aktion gegen eine Kunstfälscherbande wurden gestern in sechs deutschen Bundesländern über 1000 Objekte sichergestellt. Darunter: über 400 Bilder der Russischen Avantgardisten Kandinsky, Jawlenski und Malevich. Zwei von sechs Verdächtigen wurden festgenommen und in Untersuchungshaft genommen. Sie sollen der Kopf einer internationalen Bande sein.
Bilder hatten Echtheitszertifikate
Gemäss aktuellem Ermittlungsstand sollen die beiden Beschuldigten seit 2005 über 400 mutmasslich gefälschte Bilder verkauft haben, hauptsächlich an Privatsammler. Die gefälschten Bilder waren offenbar mit Echtheitszertifikaten ausgestattet.
Laut Kunstexperten haben sich die Fälscher auf Bilder der Russischen Avantgarde konzentriert, da diese teils vor, teils nach der Revolution in Russland entstanden sind: Einer Zeit voller Wirren, was das plötzliche Auftauchen noch unbekannter Kunstwerke durchaus möglich scheinen liess.
Pro Bild sollen die Käufer vier- bis siebenstellige Eurobeträge bezahlt haben. Allein von 2011 bis 2013 haben die Verdächtigen gemäss Bundeskriminalanwaltschaft (BKA) Bilder für über zwei Millionen Euro verkauft. Dies vor allem in Auktionshäusern im Ausland. Dabei kam den Kriminellen gemäss Kunstexperten der aktuelle Boom zur Geldanlage in Kunst zugute.
Schweizer Konten beschlagnahmt
Die ermittelnden Behörden strichen die gute internationale Zusammenarbeit heraus. Hinweise aus Israel etwa führten zur Aufnahme des Ermittlungsverfahrens. Auch die Schweiz leistete Rechtshilfe, wie das Bundesamt für Justiz auf Anfrage von SRF 2 Kultur bestätigte. Die Wiesbadener Staatsanwaltschaft, die die Ermittlungen leitet, präzisiert auf Nachfrage, dass diese Rechtshilfe aus der Schweiz jedoch keine Gemälde betraf. Dazu Pressesprecher Hartmut Ferse: «Wir haben im Rahmen der Rechtshilfe in der Schweiz Konten beschlagnahmen lassen als Gewinnabschöpfung bei den Beschuldigten.»
Aktuell ist die BKA daran, weitere der 1000 beschlagnahmten Objekte zu untersuchen. Offen ist beispielsweise noch, ob das Werk «Supreme» von Malevich echt, eine Fälschung oder schlicht ein Fantasiegemälde ist. Gemäss SRF 2 Kultur Redaktorin und Kunsthistorikerin Ellinor Landmann gibt es drei Verfahren, um eine Fälschung zu erkennen.
Analyse des Stils
Das erste und noch immer am häufigsten angewendete Verfahren ist eine sogenannte Stilananlyse. Dabei analysiert ein auf den Künstler oder die Epoche spezialisierter Kunstexperte das Bild nach folgenden Kriterien: Entspricht der Malstil demjenigen des Künstlers zur besagten Zeit? Passt der Stil, das Format? Passen die Motive? Stimmt die Farbwahl? Ist es glaubwürdig, dass der besagte Künstler zur besagten Zeit das in Frage gestellte Bild gemalt haben könnte?
Analyse des Materials
Das zweite Verfahren beinhaltet die Materialanalyse. Chemisch oder mittels Radiologie wird untersucht, ob die verwendeten Farben in die angegebene Zeit passen. Farbpigmente, Bindemittel und Leinwände müssen aus der entsprechenden Epoche sein. Diese Analyse alleine reicht jedoch selten aus: Raffinierte Fälscher verwenden historische Farben, die sie auf Flohmärkten kaufen, oder sie lassen Leinwände künstlich altern.
Analyse der Herkunft
Das dritte Verfahren nennt sich Provenienz-Forschung: Um ein Bild auf dem Kunstmarkt verkaufen zu können, braucht es eine lückenlose Geschichte. Deshalb stammen viele Fälschungen von Künstlern, deren Biographien Brüche aufweisen – wie dies beispielsweise bei Kandinsky der Fall ist.
Doch auch hier zeigt die Geschichte, dass sich Kunstfälscher einiges einfallen lassen, um ihre Werke loszuwerden: So hat etwa der 2011 verurteilte Kunstfälscher Wolfram Beltracchi nicht nur Bilder gefälscht, sondern auch Fotos, die bekannte Personen vor seinen gefälschten Bildern zeigten. Damit gab er den Bildern eine, wenn auch fiktive, Geschichte.
Faszination Fälschung
Obwohl es sich bei Kunstfälschung nicht um ein Kavaliersdelikt sondern um veritablen Betrug handelt, umgibt die Fälscher oft ein Nimbus des Genialen. Sie hinterlassen den Eindruck des Genies, das die grossen Meister perfekt nachahmen kann – und das den etablierten Kunstbetrieb aufs Kreuz legt.
Dass dabei mit grosser Energie betrogen wird, rückt in den Hintergrund. Nicht zuletzt wohl auch, weil oft das Interesse fehlt, Fälschungen aufzuklären. Denn der ganze Markt verdient mit – an den «echten» Bildern.