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Bild 1 von 3. Ungläubiges Staunen unmittelbar nach den Anschlägen auf das World Trade Center: Ein Filmstill aus «O’Say Can You See». Bildquelle: Laura Poitras.
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Bild 2 von 3. «Anarchist», die Aufzeichnung einer israelischen Drohne (aufgezeichnet am 24. Februar 2009). Bildquelle: Laura Poitras.
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Bild 3 von 3. Laura Poitras beim Filmen des Baus des «NSA Utah Data Respository» (2011). Bildquelle: Conor Provenzano.
Von einer Grossleinwand starren einem entsetzte Gesichter entgegen. Die Gesichter ihrerseits starren auf das, was vom World Trade Center unmittelbar nach den Anschlägen vom 11. September 2001 übrig geblieben ist.
Auf der Rückseite derselben Leinwand wird ein Gefangener in Guantánamo verhört – gefesselt, mit einem Sack über Kopf und Oberkörper und auf den Knien. Diese Installation bildet den Auftakt zu Laura Poitras’ Ausstellung «Astro Noise» im New Yorker Whitney Museum. Sie stellt auch, stark abgekürzt, Poitras’ Werdegang dar.
Politisiert durch die Terroranschläge
Laura Poitras, 1962 in Boston geboren, wollte eigentlich Köchin werden. Nach ein paar Jahren in einem Restaurant hatte sie jedoch genug von Ratatouille, Steak Frites und Mousse au Chocolat und wandte sich dem Film zu.
Zunächst dem Experimentalfilm, dann zunehmend gesellschaftlich engagierten Arbeiten. Die Terroranschläge – die entsetzten Gesichter – haben Poitras politisiert. Die Folgen davon – Guantánamo und so weiter – machten sie zur Aktivistin.
Dem FBI fiel Poitras schon früh auf
In «Astro Noise» scheint sie zu fragen: Was rechtfertigt Methoden, wie sie die Amerikaner im so genannten Krieg gegen den Terrorismus anwenden? Was rechtfertigt das gigantische Überwachungssystem der amerikanischen Geheimdienste, das zu enthüllen Laura Poitras dem Whistleblower Edward Snowden half?
Für ihren Film «Citizenfour» über Snowden wurde die Regisseurin 2015 mit einem Oscar ausgezeichnet. Dem FBI war sie allerdings schon viel früher aufgefallen – unangenehm aufgefallen.
«Geheim» und «verdeckt» sind nicht dasselbe
«Diese acht Minuten veränderten mein Leben, aber das wusste ich damals noch nicht», sagt Poitras’ körperlose Stimme, während daneben ein Video läuft. Sie hat es 20. November 2004 in Bagdad aufgenommen. Gewehrfeuer ist zu hören. Poitras filmte eine irakische Familie auf dem Dach ihres Hauses, die neugierig über die Mauern guckt, um zu schauen, was los ist.
Wie die US-Behörden von diesem 8-Minuten-Streifen erfuhren und weshalb sie deshalb in ihrer Heimat auf eine schwarze Liste geriet, hat Laura Poitras nie herausgefunden. Sie weiss nur, dass ganze Aktenberge über sie existieren. Auszüge davon sind in «Astro Noise» zu sehen.
Zu sehen sind auch Aufnahmen der Militärs, die das Gefängnis Abu Ghraib inspizierten und ursprünglich nichts an den Zuständen dort auszusetzen hatten. Es gibt Interviews mit Folteropfern der CIA und interne Memoranden, in denen der Unterschied zwischen «geheim» und «verdeckt» diskutiert wird. Das alles steckt wie in einem Guckkasten hinter den Wänden eines schwarzen Flurs, in die schmale Luken eingelassen sind.
Der Blitz der Erkenntnis trifft nicht alle
Die wahre Gefahr geht von den Institutionen aus, denen wir vertrauen. So lautet dieBotschaft dieser Ausstellung. Laura Poitras’ Appell an unser ethisches Bewusstsein und unseren Bürgersinn zeigt allerdings keine besondere Wirkung.
Die Besucher spazieren mit gezücktem Smartphone durch «Astro Noise». Und wirken eher amüsiert als überrascht, wenn sie am Schluss entdecken, dass ihre elektronischen Geräte gehackt worden sind. Ein Zeichen dafür, dass man heute leichter von einer Drohne getroffen wird als vom Blitz der Erkenntnis in einem Museum.