Rebellen waren sie alle drei: Piet Mondrian um 1919, Barnett Newman nach dem 2. Weltkrieg und Dan Flavin in den 60er-Jahren. Sie sind Rebellen mit einem kargen Vokabular, sagt Bernhard Mendes Bürgi, Direktor des Kunstmuseums Basel und Kurator der Ausstellung. Denn alle drei reduzieren den künstlerischen Ausdruck auf Farbe und Form. Abbilden muss diese Kunst nichts mehr. Piet Mondrian, mit Malewitsch und Kandinsky einer der Pioniere der Abstraktion, hat um diese Freiheit 1919 intensiv gerungen.
Mondrians Ikonen der Moderne
Die Basler Ausstellung beginnt ihren Rundgang durch die Abstraktion mit Mondrian. Der erste Saal sorgt für eine Eröffnung wie ein Paukenschlag: ein grosser Raum mit vielen kleinen Bildern, die allesamt Ikonen der Moderne sind.
Sichtbar wird in diesem Saal, wie Mondrian um eine harmonische Komposition ringt: Das Kästchen Rot quetscht er bloss noch schmal angeschnitten ins untere Eck und setzt dagegen eine grosse weisse und eine gelbe Fläche, durch die typischen schwarzen Linien im Gleichgewicht abgesetzt.
Newmans farbige Erhabenheit
Barnett Newman übernimmt dann im nächsten Raum die Linien und die Farbe und macht daraus Streifen und Farbflächen. Allerdings pfeift Newman auf Mondrians Harmonie. Er malt Farbflächen, in denen man sich verlieren soll. Das Erhabene, so meint der Künstler, wird erlebbar vor den starken Farben.
Flavins nüchterner Minimalismus
Auf diese spirituelle Note, die sowohl Newman wie Mondrian teilen, auf die wiederum pfeift Dan Flavin. Für seine Kunst gilt: Es ist nicht mehr dahinter als das Sichtbare. Also handelsübliche Neonröhren in handelsüblichen Farben, dazu Zünder und Kabel. Alles wird in einem Raum aufgestellt. Das war's.
Aber die Basler Ausstellung bleibt nicht stehen beim Herausarbeiten der Unterschiede, die kunstgeschichtlich verbrieft sind. Die Ausstellung lässt die Betrachter die Gemeinsamkeiten zwischen den drei Künstlern entdecken. Alle drei lieben Linien und Farben, das ist offensichtlich. Aber zu sehen ist auch eine abstrakte Kunst, die ihre Zuschauer immer stärker zur Teilnahme und Beteiligung auffordert, von Mondrians Ikonen über Newmans Farbflächen zu Flavins Neonröhren, die in den Raum eingreifen.
Störungen in der chronologischen Lesart
Zu sehen ist übrigens auch, dass die einfach chronologische Lesart nicht aufgeht, so bequem das auch wäre. Einzelne Werke stören die Illusion einer strikt linearen «Entwicklung» von den frühen in die radikalen späten Manifestationen der Abstraktion.
Von Mondrian ist zum Beispiel so ein Störfaktor zu sehen, «New York City 1», ein unvollendetes Werk von 1941: Die schwarzen Linien sind farbigen Klebstreifen gewichen, über- und untereinander geklebt, ein Teppich, der weit in die Kunstzukunft weist.
Kunstgeschichte widersprüchlich erleben
Ein weiterer Störfaktor: Newman nimmt Flavin mit einem Werk wie «The Wild» von 1950 vorweg: ein schmaler roter Streifen, zwar noch auf Leinwand gemalt, sieht aber eigentlich aus wie eine Neonröhre. Kurz gesagt: Einfache Erklärungen zielen am Kern der Sache vorbei. Besser ist es, Kunst und Kunstgeschichte widersprüchlich zu erleben, wie in der Basler Ausstellung.