Der 71jährige Tadao Ando musste sich seinen Ruhm hart erarbeiten. Ohne Abschluss gründete er mit 29 Jahren sein Büro in Osaka. Mit aussergewöhnlichen Bauwerken und viel Mut etablierte er sich schon bald als visionärer Architekt. Später lehrte er an der Universität in Tokyo, Harvard, Yale und Columbia. Er ist der einzige Architekt, der die vier wichtigsten Architekturpreise erhalten hat: Den Pritzker, Carlsberg, Praemium Imperiale und den Kyoto Preis.
Vom Boxer zum Architekten
Im kriegsversehrten Japan wuchs Ando bei seiner Grossmutter auf. Er begann schon früh als Zimmermann zu arbeiten, wurde erst Profiboxer, dann Architekt. Den Zusammenhang zwischen Architektur und Boxen sieht er so: «Um zu überleben, muss man bis zum Schluss konzentriert sein. Niemand hilft dir, wenn Du fliehen möchtest. So betrachtet, sind Architektur und Boxen das Gleiche».
Autodidakt Ando jobbte zwar in Architekturbüros, hatte jedoch Mühe, sich unterzuordnen. «Weil ich mich nicht unterordnen konnte, habe ich es nie länger als drei Monate ausgehalten. Ein Jahr lang habe ich alle Architekturbücher gelesen, die ich zwischen die Finger bekam.» Er reiste durch Europa und Amerika und besuchte die Bauwerke berühmter Architekten. Danach gründete er sein Büro in Osaka. Weil er keinen Abschluss hatte, bekam er kaum Aufträge. «Keiner gab mir Aufträge, so musste ich meine Chance packen und etwas Aussergewöhnliches schaffen.»
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Konsequenter Minimalismus
Andos Architektur ist durch einen konsequenten Minimalismus gekennzeichnet. Sein Markenzeichen ist hochqualitativer Sichtbeton, dessen Schalungsbretter nach der Grösse von japanischen Tatami-Matten bemessen sind. Die Schalung der Wandoberfläche lassen die Betonmauern jedoch so leicht und geschmeidig wie Seidenpapier erscheinen, so dass eine eigentümliche fernöstliche Ästhetik entsteht.
Die Innenräume erstellt Ando auf der Grundlage asketischer Prinzipien. Die Raummitte wird als Ort der Sammlungen begriffen, die Helligkeit wird durch Lichtschlitze in den Wänden bestimmt. Ziel ist ein «Finden zu sich selbst».
Seine Gebäude verbinden westliche und fernöstliche Ästhetiken und Materialien und erhalten ihre poetische Wirkung durch die konsequente Integration natürlicher Elemente wie Wind, Wasser und Licht.
Kirche des Lichts
In den 80er Jahren baute Ando in Japan drei Kirchen, die den drei Naturelementen gewidmet sind: Die «Kirche des Windes», die «Kirche auf dem Wasser», und die «Kirche des Lichts» in Osaka.
Mit der «Kirche des Lichts» wollte er einen Ort schaffen, an dem die Menschen durch das Licht zusammengeführt werden. Einen Ort, der sie zum Nachdenken anregt. «Licht erweckt Architektur zum Leben», lautet das Credo Tadao Andos. So setzt er die christliche Thematik des göttlichen Lichts und der Erleuchtung eindrücklich um, das Lichtkreuz weckt den Eindruck, als könne es selbst massive Mauern sprengen. Ando sagt, die kreuzförmige Öffnung hätte er am liebsten nicht verglast, um den Wind ebenso in das Gebäudeinnere einzulassen wie das Licht.
1992 entwarf Ando den japanischen Pavillon für die Expo in Sevilla. Seitdem arbeitet er regelmässig in Europa und Amerika.
Peter Zumthor bewundert Tadao Ando
Ando hat eine vollkommen neuartige Ästhetik des Bauens entwickelt, bei der Beton und Holz, Licht, Raum und Natur in einer Art und Weise eingesetzt werden, wie es sie vor ihm nicht gab. Seine klare Linie in der Umsetzung hat eine ganze Generation von Architekten nachhaltig geprägt.
Ungeachtet aktueller Trends, Bewegungen und Schulen bleibt Ando seiner Vision treu. Der Schweizer Architekt Peter Zumthor, auch er ein Pritzker-Preisträger, bewundert Andos Integrität, sieht ihn als Künstler, der sich nicht vereinnahmen lässt, sondern beharrlich seine Visionen realisiert. Seit über 25 Jahren beeindruckt ihn die radikale Bauweise Andos. Er sagt: «Ando hat mir Mut zur Radikalität gemacht.»