-
Bild 1 von 5. Ernst Ludwig Kirchner war ein Gründungsmitglied der Künstlergruppe Brücke. 1937 wurde sein Werk durch die Nationalsozialisten als «entartet» gebrandmarkt. Über 600 seiner Werke wurden daraufhin verkauft oder zerstört. Ein Jahr darauf nahm er sich das Leben. Bild: Ernst Ludwig Kirchner: «Alpsonntag. Szene am Brunnen», 1923–1925. Bildquelle: Kunstmuseum Bern.
-
Bild 2 von 5. Oskar Schlemmer (1888 bis 1943) war ein deutscher Maler, Bildhauer und Bühnenbildner. In den Augen der Nazis war er ein «Kunstbolschewist», 1934 fielen seine Wandbilder für das Essener Museum Folkwang dem Bildersturm zum Opfer. 1937 wurden Bilder von ihm in der Schmähausstellung «Entartete Kunst» gezeigt. Bild: Oskar Schlemmer: «Reihung», 1935. Bildquelle: Oskar Schlemmer Reihung, 1935.
-
Bild 3 von 5. Als «Entartete Kunst» galten im NS-Regime alle Kunstwerke und kulturellen Strömungen, die mit der Kunstauffassung und dem Schönheitsideal der Nationalsozialisten nicht in Einklang zu bringen waren, wie Expressionismus, Dadaismus, Neue Sachlichkeit, Surrealismus, Kubismus oder Fauvismus. Bild: Franz Marc: «Blaues Pferd II», 1911. Bildquelle: Kunstmuseum Bern/Stiftung Othmar Huber, Bern.
-
Bild 4 von 5. Paul Camenisch (1893 bis 1970) war ein Schweizer Architekt, Zeichner und Maler. Er war Mitbegründer der expressionistischen Künstlergruppe Rot-Blau (auch von Rot-Blau II) sowie der Gruppe 33. Camenischs Werke wurden 1937 in der Münchner Ausstellung «Entartete Kunst» diffamiert. Bild: Paul Camenisch: «Frühlings Erwachen» (Selbstbildnis), 1926. Bildquelle: Kunstmuseum Bern/Geschenk Charles Woerler, Bern.
-
Bild 5 von 5. William Ernst Hermann Wauer (1866 bis 1962) war ein deutscher Bildhauer und Filmregisseur. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 beendete seine vielfältigen Aktivitäten. Seine Werke wurden zur «Entarteten Kunst» gezählt, 1941 erteilte die Reichskulturkammer ihm ein Arbeitsverbot. Foto: E. H. William Wauer: «Der Blitzreiter», 1923. Bildquelle: Kunstmuseum Bern/Schenkung Nell Walden, Bern.
- Mit seiner neuen Ausstellung geht das Kunstmuseum Bern der Herkunftsgeschichte seiner Bilder nach. Der Fokus liegt dabei auf der sogenannten «entarteten» Kunst.
- Sechs, vielleicht sogar sieben Werke, die sich in der Berner Sammlung befinden, wurden im dritten Reich in deutschen Museen als «entartet» beschlagnahmt.
- Damit wird die problematische Geschichte der Bilder nicht unter den Teppich gekehrt, sondern in einer Ausstellung aufgearbeitet. Ein wichtiges Signal.
- Allerdings: Es bleibt nur ein Signal. Denn die einst als «entartet» beschlagnahmte Kunst darf bis heute ganz legal gehandelt werden. Es wird also keine spektakulären Rückforderungen geben.
Mit Kirchner fängt die neue Ausstellung im Kunstmuseum Bern an und mit Kirchner hört sie auf. Das erste Bild des deutschen Expressionisten gelangte 1933 ins Kunstmuseum Bern, das letzte 2009. Zwischen den beiden Bildern Kirchners liegen Welten. Nicht künstlerisch. Sondern wenn es darum geht, welche Verantwortung Museen für die eigene Sammlung zu übernehmen haben.
Verantwortung für die eigene Sammlung übernehmen
Mit seiner neuen Ausstellung «Moderne Meister. ‹Entartete› Kunst im Kunstmuseum Bern» stellt sich das Haus der eigenen Sammlungsgeschichte und der Verantwortung für sie: Welche Bilder wann wie in die Sammlung kamen, ist dabei eine zentrale Frage.
Eine weitere Frage: Sind Werke darunter, die einst jüdischen Eigentümern in der NS-Zeit gestohlen wurden? Schweizer Museen sind verpflichtet, auf diese Frage eine Antwort zu finden, seit die Schweiz 1998 die Washingtoner Prinzipien unterzeichnet hat. Eine rechtlich nicht bindende Vereinbarung, die aber international breit anerkannt ist.
Beschlagnahmt, zerstört oder verkauft
Das Kunstmuseum Bern konzentriert sich in der aktuellen Ausstellung auf die sogenannt «entartete» Kunst. Der Begriff bezeichnet Kunstwerke, die 1937, teilweise auch schon früher, in deutschen Museen beschlagnahmt wurden.
Die gesamte künstlerische Moderne von Cuno Amiet über Cézanne und Picasso bis Heinrich Zille verschwand aus deutschen Sammlungen. Die Werke wurden teils zerstört, teils im Ausland für wertvolle Devisen verkauft – zum Beispiel in der Schweiz.
Sechs, vielleicht sogar sieben Werke, die sich heute in der Berner Sammlung befinden, wurden einst in deutschen Museen als entartet beschlagnahmt. Das ist für Fachleute und Expertinnen nichts Neues.
Wichtiges Signal gesetzt
Neu ist jedoch, dass ein Schweizer Museum so offensiv mit dieser Geschichte der eigenen Sammlung umgeht. Hier wird Geschichte nicht unter den Teppich gekehrt, sondern in einer Ausstellung aufgearbeitet. Ein wichtiges Signal.
Allerdings: Bern setzt die Signale dort, wo es nicht weh tut. Denn die als entartet beschlagnahmte Kunst darf bis heute legal gehandelt werden. Das entsprechende Gesetz aus der NS-Zeit wurde bis heute nicht aufgehoben. Es wird also keine spektakulären Rückforderungen geben.
Immer noch einige offene Fragen
Brisant ist die Ausstellung in Bern aus einem anderen Grund: Im Katalog macht das Haus öffentlich, wie weit die Provenienzforschung, zu der es verpflichtet ist, fortgeschritten ist. In dem Teilbereich, der erforscht wurde, zeigen sich viele Lücken.
Insbesondere die Besitzverhältnisse in den heiklen 1930er-Jahren sind bei einigen Werken unklar. Das bedeutet nicht, dass das alles NS-Raubkunst ist. Aber es bedeutet, dass die Forschung seit fast 20 Jahren nicht wirklich substanziell vorangekommen ist.
Ein transparenter Spagat
Matthias Frehner, Direktor des Berner Kunstmuseums, verteidigt die Forschung im eigenen Haus. 1998, nach der Unterzeichnung der Washingtoner Prinzipien, habe man damit begonnen, die eigenen Bestände zu untersuchen.
Damals hätten andere Kriterien gegolten als heute: «Damals suchte man ausschliesslich nach NS-Raubkunst. Heute geht es um eine lückenlose Provenienzkette.» Daran werde man arbeiten, versichert Matthias Frehner.
Zurzeit jedenfalls macht das Kunstmuseum Bern einen eigentümlichen Spagat: Es legt offen, wie wenig es über die eigene Sammlung weiss. Weil es aber bisher das einzige Haus ist, das mit seinem Unwissen so transparent umgeht, sieht es dabei noch gut aus.