Im Zusammenhang mit Emil Bührle fallen Begriffe wie «historisch belastet» oder «dunkle Vergangenheit». Denn der Waffenfabrikant erwirtschaftete seine Gewinne ab den 1930er Jahren unter anderem aus Geschäften mit Nazi-Deutschland, er profitierte von Zwangsarbeit und sammelte in grossem Stil Kunst, darunter Bilder, die er nach dem Krieg als NS-Raubkunst zurückgeben musste.
Standortmarketing vs. historische Aufarbeitung
Trotzdem sollen die impressionistischen Meisterwerke aus der Sammlung des Waffenfabrikanten Zürich zu einem touristischen Anziehungspunkt machen. Zunächst lief alles glatt: Die rotgrüne Zürcher Regierung plante, die Bilder der Bührle-Stiftung als Leihgaben ins Kunsthaus Zürich zu transferieren.
2012 bewilligte das Stimmvolk die Vorlage über die Erweiterung des Kunsthauses. 2017 wurde bei der Universität Zürich eine historische Studie in Auftrag geben, welche die letzten blinden Flecken erfassen und den Wissensstand zu Emil Bührles Geschäfts- und Sammeltätigkeit zusammenfassen sollte.
Diese Studie aber stehe im Verdacht, reichlich zahnlos gewesen zu sein, sagt der Historiker Erich Keller. Denn dass die Bilder als Leihgaben ans Kunsthaus gehen, war beschlossenen Sache, «egal was da von wissenschaftlicher Seite noch hätte kommen können.» Erich Keller wirkte selber an der historischen Studie mit, bis er publik machte, dass ein Beirat beschönigende Eingriffe vornahm.
Raubkunst im Kunsthaus Zürich?
Sein neues Buch «Das kontaminierte Museum» (Rotpunkt Verlag) dürfte für Aufregung sorgen. Denn Keller zweifelt darin auch die Provenienzforschung der Bührle-Bilder an und stellt die These auf, dass sich darunter NS-Raubkunst befinde.
Die Stadt Zürich und die Bührle Stiftung äussern sich auf Anfrage von SRF vor dem Erscheinen des Buches und ohne Kenntnis dessen Inhalts nicht. Esther Tisa Francini, Provenienzforscherin am Museum Rietberg, stellt der Forschung der Stiftung Bührle aber ein gutes Zeugnis aus. Sie entspreche den wissenschaftlichen Standards, sei online publiziert, öffentlich einsehbar und enthalte alle notwendigen Nachweise.
Und trotzdem verstummt die Kritik nicht. Denn es geht im Kern um die Bewertung von Forschungsergebnissen Und um eine schweizerische Eigenheit: den Begriff «Fluchtgut».
Schatten über der glanzvollen Eröffnung
Sollen auch Bilder, die jüdische Sammlerinnen und Sammler nach ihrer Flucht vor dem NS-Regime verkauft haben, wie Raubkunst behandelt werden? Konnten die Eigentümer frei entscheiden und hätten sie auch ohne Verfolgung verkauft? Antworten darauf sind schwierig. Und sie fehlen für einzelne Bilder der Bührle-Stiftung, etwa eine Landschaft von Cézanne oder das Mohnblumenfeld von Monet.
Und so stellt sich kurz vor der glanzvollen Eröffnung des neu erweiterten Kunsthauses nicht nur die Frage, ob die Geschichte von Emil Bührle und seiner Sammlung kritisch genug aufgearbeitet wurde und im Zürcher Kunsthaus kritisch genug vermittelt wird. Es geht auch darum, wie sich die Schweiz und ihre Museen einer historischen Verantwortung stellen im Umgang mit Bildern, die sie ohne das NS-Regime vermutlich nie an die Wände hätten hängen können.