«Be an Outsider! Be a Hero! Be Robert Walser!» Das Motto, das Thomas Hirschhorn über seine Robert Walser-Sculpture legt, ist eingängig. Und es führt direkt zum Kern der Idee, die hinter dem Projekt steht.
Der in Paris lebende Schweizer Künstler und bekennende «Robert Walser-Fan» inszeniert in Biel, der Heimatstadt des zu Lebzeiten erfolglosen Dichters, eine prekäre Installation mit Dauer-Happening.
86 Tage lang wird die Plattform aus Paletten und Pressholz auf dem Bahnhofplatz täglich von zehn bis 22 Uhr mit diversen Aktionen bespielt: es gibt Lesungen, Lectures, Ausstellungen, eine Bibliothek, eine Bar, Filme, Dokumentationen, Wanderungen auf den Spuren Walsers, tägliche Vernissagen, eine projekteigene Zeitung und vor allem jederzeit die Möglichkeit, mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen.
Plastikausstellung als Solo-Show
«Die Menschen sind wichtig, nicht die Plattform. Die Menschen machen die Skulptur», sagt Thomas Hirschhorn. Für ihn – und für viele der am Projekt beteiligten – hat die Robert Walser-Sculpture längst begonnen.
Und zwar gleich nachdem der Stiftungsrat der Schweizerischen Plastikausstellung Biel den Vorschlag angenommen hatte, eine Ausstellung nur mit Thomas Hirschhorn zu bestreiten.
Kathleen Bühler, die Kuratorin der Abteilung «GegenwART» im Kunstmuseum Bern, hatte die Idee eingebracht. Für sie war Hirschhorn eine logische Weiterentwicklung der Schweizerischen Plastikausstellung, die in ihrer letzten Ausgabe 2014 eine Reihe von Performances im öffentlichen Raum gezeigt hatte.
Ausserdem sei es überfällig gewesen, dass der Schweizer Künstler Thomas Hirschhorn auch einmal in der Schweiz ein Projekt verwirklicht, findet sie.
Im Frühsommer 2016 begann Thomas Hirschhorn mit den ersten Arbeiten an seiner Robert Walser-Sculpture. Sichtbar war vorerst hauptsächlich der Künstler mit der markanten Brille, der gemeinsam mit Kuratorin Kathleen Bühler durch Biel radelte.
In sogenannten «Fieldworks» traf Hirschhorn unterschiedliche Menschen in der Arbeiterstadt am Jurasüdfuss. Darunter viele, die bisher kaum Kontakt mit der Kulturszene hatten: Leute von der Gassenarbeit, Alkoholiker und Arbeitslose, Schülerinnen, Schüler, Sportler.
Er hat mit ihnen gesprochen, sich ihre Wünsche und Sorgen angehört. Er hat den Robert Walser in ihnen gesucht. Den Menschen ohne Erfolg, aber mit Ideen. Hirschhorn hat diese Menschen eingeladen, an seinem Projekt mitzuarbeiten und kleine Aktionen zu realisieren.
Und er hat dafür gesorgt, dass die Akteure honoriert werden – und dass die Aktionen fürs Publikum gratis sind. Das ist im Kunstbetrieb keine Selbstverständlichkeit.
Der Blick von unten
Die Robert Walser-Sculpture reiht sich ein in Projekte wie das 2013 in der Bronx, New York realisierte Gramsci-Monument, das sich auf den marxistischen Philosophen Antonio Gramsci bezog. Damals lud Hirschhorn ebenfalls Anwohner ein, mitzumachen und ihre Bedürfnisse, ihre Weltsicht öffentlich zu formulieren.
Ob Gramsci oder Robert Walser, es ist der Blick von unten auf die Gesellschaft, der Hirschhorn interessiert. Und den er diskutieren möchte.
«Be an Outsider! Be a Hero! Be Robert Walser!» Das bedeutet auch, Menschen und Situationen sichtbar zu machen, die normalerweise unsichtbar sind in der glänzenden Welt des Kapitalismus.