Es gibt optimistische Signale: Die diesjährige Kunst-Biennale von Venedig zeigt erstmals gleich viele Künstlerinnen wie Künstler. In Bern liefen diesen Frühling ganz selbstverständlich und gleichzeitig zwei Ausstellungen in unterschiedlichen Institutionen über Künstlerinnen: Isa Genzken und Miriam Cahn.
Und: Ausgerechnet die feministische Pionierin Valie Export erhielt dieses Jahr den Schweizer Roswitha-Haftmann-Preis. Das ist die mit 150’000 Franken höchstdotierte Kunstauszeichnung Europas.
Nur die Zahlen und Fakten sind weniger optimistisch. Alle paar Jahre zeigen Studien die immer gleichen Ungleichgewichte auf.
Es ändert sich was
Was also tun? Direktorinnen von Schweizer Museen äussern sich verhalten optimistisch. Es ändere sich gerade was.
Nadine Wietlisbach vom Fotomuseum Winterthur ist sich sicher: «Das ist mehr als ein Hype.» Ihre Devise, um Künstlerinnen gleich sichtbar zu machen wie Künstler: Nicht reden, machen.
Das heisst: Auf ausgeglichene Ausstellungsbilanzen achten, Künstlerinnen aktiv suchen, bei Preisvergaben gleich viele Künstlerinnen wie Künstler auszeichnen und bei Sammlungszukäufen die Genderfrage stellen.
Unbekannte Künstlerinnen fördern
Fanni Fetzer, Direktorin des Kunstmuseums Luzern, bekräftigt: «In der zeitgenössischen Kunst ist es kein Problem, für ein ausgeglichenes Verhältnis der Geschlechter zu sorgen.»
Schwieriger sei das in der Sammlung eines Museums, denn die sind historisch gewachsen und spiegeln die Zeiten, in denen Künstlerinnen weder wahrgenommen noch gewürdigt wurden. Sich da über schlechte Männer-Frauen-Verhältnisse aufzuregen, bringe also niemanden weiter.
Viel wichtiger sei es, nicht immer wieder die gleichen, bereits bekannten Frauen wie Meret Oppenheim oder Frida Kahlo zu zeigen, sondern Unbekannte ins Programm zu nehmen. Frauen wie Männer.
«Mich nur auf feministische Positionen zu konzentrieren, wäre mir zu eng. Weil wir uns verbünden müssen», sagt Fanni Fetzer. Die immer selben Ausschlussmechanismen sorgten nämlich nicht nur für die Marginalisierung von Künstlerinnen, sondern auch von Künstlern mit «anderen» geographischen oder sozialen Herkünften.
Die kleinen Kunsthäuser sind aktiver
Die Öffnung des Kanons wird von der internationalen Museumsszene als Aufgabe wahrgenommen: Die Tate Modern in London hat die Künstlerinnen der eigenen Sammlung explizit gewürdigt, das MoMA in New York versucht in der neuen Sammlungsausstellung die Kunstgeschichte diverser aufzurollen.
In der Schweiz sind vor allem die kleinen und mittleren Häuser aktiv. Das Kunstmuseum Basel hat mit dem Antritt von Josef Helfenstein als Direktor den Kurs deutlich korrigiert. Die anderen Grossen halten sich zurück.
Wenig Initiative in grossen Kunsthäusern
Die Fondation Beyeler zeigt zwar gerade eine Ausstellung mit ausschliesslich Künstlerinnen, der Schwerpunkt des Hauses liegt aber auf grossen Einzelausstellungen bekannter Männer.
Auch der andere grosse Schweizer Player wird als wenig progressiv wahrgenommen. «Ich würde mir wünschen, dass sich eine Institution wie das Kunsthaus Zürich mit seiner wahnsinnigen Sammlung und seinem tollen Neubau vermehrt auch den Frauenfiguren zuwenden würde», sagt Nadine Wietlisbach vom Fotomuseum Winterthur
Das Kunsthaus Zürich verzichtet auf einen Kommentar, verweist aber auf das Ausstellungsprogramm fürs kommende Jahr, in dem viele Künstlerinnen zum Thema würden. Etwa in der Sammelausstellung zu den wilden 1920er-Jahren und in einer Einzelausstellung der Schweizer Künstlerin Ottilie W. Roederstein.