Vier Pilze auf weissem Grund: zwei grosse, ein mittlerer, ein ganz kleiner. Sie sind allesamt ein bisschen schief gewachsen. Der Kleine schmiegt sich an die beiden grossen. Mit ein bisschen Fantasie wirkt das Bild fast wie ein Familienportrait von vier Pilzen.
Um welche Pilze es sich handelt, erfährt man in den Räumen der Ausstellung «Pilz/Fotografie» nicht. Die botanisch korrekten Bezeichnungen kann man in einem kleinen Heft nachlesen. Die Wände dagegen sind ganz den Pilzen gewidmet, die Fred Waldvogel liebevoll in Szene gesetzt hat.
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Bild 1 von 5Legende: Während 40 Jahren kamen Fred Waldvogel verschiedenste Pilze vor die Linse, wie hier mit dem Glänzenden Lackporling... Museum im Bellpark
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Bild 2 von 5Legende: ...der Hasenpfote... Museum im Bellpark
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Bild 3 von 5Legende: oder dem Halbkugeligen Träuschling werden sonst versteckte Paralleluniversen sichtbar. Museum im Bellpark
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Bild 4 von 5Legende: Waldvogel legte Wert auf eine ästhetische Darstellung, wie hier bei der Totentrompete, drapiert mit Laubblättern. Museum im Bellpark
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Bild 5 von 5Legende: Auch der Rotschuppige Flämling wurde akribisch ins rechte Licht gerückt. Museum im Bellpark
Hilar Stadler hat die Ausstellung kuratiert. Über die Präsentation der Fotos sagt er: «Wir wollten die Bildkraft dieser Fotos verstärken. Und wir wollten, dass man sich ein bisschen fühlt wie eine Ameise in einem grossen Pilzwald.»
«Pilze waren seine grosse Liebe»
In diesem Pilzwald begegnet man den wundersamsten Kreaturen: Da gibt es Pilze, die aussehen wie cremefarbene Blüten, Spitzmorcheln mit ihren porösen dreieckigen Hüten und kleine weisse glänzende Pilze, die an Raumschiffe erinnern.
Sie alle hat der 1997 verstorbene Fred Waldvogel vor weissem Grund inszeniert. Neben Einzel- und Gruppenportraits gibt es auch Bilder, in denen er eine Ansammlung von Pilzen so eingefangen hat, wie sie auch in der Natur vorkommen könnten: auf einem Bett aus Moos oder Gräsern, mit verschiedenen Pflanzen, die zwischen den Pilzen arrangiert sind. Bei diesen Aufnahmen wird besonders deutlich, wie viel Wert der Fotograf auf eine künstlerische Komposition legte.
Waldvogel selbst entwickelte seine Bilder übrigens nicht. Er bewahrte nur grossformatige Diapositive auf – akkurat beschriftet und nummeriert. Nach seinem Tod übergab seine Witwe die gesammelten Pilzfotografien aus 40 Jahren an die Universitätsbibliothek Zürich.
Was faszinierte den Zürcher Werbefotografen Waldvogel derart an Pilzen? Kurator Hilar Stadler formuliert es so: «Pilze waren seine grosse Liebe. In einem Interview hat er einmal gesagt, die Vielfalt dieser Lebewesen habe ihn fasziniert.»
Pilz-Portraits mit wissenschaftlichem Anspruch
Fred Waldvogel sah es als seine Aufgabe an, diese Vielfalt sichtbar zu machen. Dafür verwendete er Techniken, die er von seiner Arbeit als Werbefotograf kannte: In seinem Studio bastelte er sich selbst einen Leuchttisch, der die Pilze von unten anstrahlte, damit auf den Fotos keine Schatten zu sehen waren.
Perfekt ausgeleuchtet konnte er die kleinsten Details der Pilze sichtbar machen: ihre Lamellen, die Flecken auf ihren Hüten, ihre zerklüftete Oberfläche. Seine Modelle porträtierte Waldvogel nicht nur mit viel Humor, sondern auch mit wissenschaftlichem Anspruch. Regelmässig veröffentlichte er seine Fotografien in den Wissenschaftsbüchern des Silva-Verlags.
Waldvogel habe gewollt, dass man die verschiedenen Pilzsorten auf seinen Bildern unterscheiden konnte, so Kurator Stadler. «Manchmal denke ich, seine Fotos sind wie eine Schule zur genaueren Wahrnehmung.»
Es ist eine Schule, die sehr viel Spass macht, weil sie einem Einblicke in eine fremde Welt eröffnet. Und weil sie beweist, wie viel Fantasie die Natur hat.