Als Kind konnte Richard Serra aus seinem Fenster die Schiffe in der Bucht von San Francisco beobachten – und die Faszination von Wasser und grossen Stahlstrukturen liess ihn danach nie wieder los. Mit teils riesigen Stahlskulpturen wurde er zu einem der wichtigsten und erfolgreichsten Bildhauer der Welt. Aber er war auch stets umstritten.
Ich glaube nicht, dass Kunst die Aufgabe hat, zu gefallen.
Die Beliebtheit seines Werks bedeute ihm nichts, betonte der Künstler immer wieder. «Ich glaube nicht, dass Kunst die Aufgabe hat, zu gefallen.» Am Dienstag starb er im Alter von 85 Jahren im US-Bundesstaat New York, wie sein Anwalt John Silberman bestätigte. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge starb er infolge einer Lungenentzündung.
Kompromisslos wie seine Werke
Die meisten von Serras Werken, viele davon nach Modellen in Deutschland hergestellt, sind gross und tonnenschwer. Für mehr als 100 öffentliche Orte hat er Skulpturen geschaffen: von Philadelphia und St. Louis über São Paulo bis Bochum und Basel. Seinen Entwurf für das Holocaust-Mahnmal in Berlin zog er allerdings im Streit wieder zurück.
Die Grundidee mit einem Meer aus Stelen stammt von ihm. Als sein Entwurf aber verändert wurde, zog er ihn «aus privaten und künstlerischen Gründen» zurück. Eine andere Skulptur in New York wurde nach starken Protesten wieder abgebaut. Er sei so «stählern und kompromisslos wie seine Werke», schrieb der britische «Guardian» einmal.
Das renommierte Guggenheim-Museum in New York würdigte Serras Werk und erklärte am Dienstag, seine «monumentalen Arbeiten haben unsere Wahrnehmung von Raum und Form verändert».
Mit Stahl aufgewachsen
Er lebte und arbeitete zuletzt in New York, auf Long Island und im kanadischen Nova Scotia. Geboren wurde er am 2. November 1938 in San Francisco. Sein Vater arbeitete einige Jahre lang in einer Schiffswerft – wo die Liebe seines Sohnes für Stahlstrukturen, die schon durch das Beobachten der Schiffe durch sein Kinderzimmerfenster entfacht worden war, weiter befeuert wurde. «Es war eine lebhafte Umgebung», erinnerte sich der Künstler einmal. «Ich bin arm aufgewachsen, aber die Atmosphäre war reich.»
Er studierte englische Literatur an der University of California in Santa Barbara und an der Elite-Universität Yale. Danach ging er nach New York, wo er auf andere Künstler wie Donald Judd, Dan Flavin und Jasper Johns traf und bald mit Blei und Stahl zu experimentieren begann. Serras Skulpturen wurden immer grösser und schwerer und schliesslich bekam der Stahl Kurven.
«Das hatten die Menschen noch nie gesehen»
Mit grosser Wirkung, wie er später erzählte: «Die Menschen haben auf die Kurven reagiert, wie sie nie zuvor auf Ecken und gerade Linien reagiert hatten. Das hatten sie noch nie gesehen. Die Menschen waren bereit für die Kurven.» Immer mehr Galerien und renommierte Museen räumten für ihn daraufhin riesige Räume frei.
Hin und wieder malte der Künstler auch, aber er blieb auch da meist monochrom. «Ich arbeite an einem pinkfarbenen Bild», sagte er einmal der «New York Times». «Es ist in meinem Schrank. Oder Grün und Lila. Eine Woche lang habe ich auch ein helles Gelbgrün in Betracht gezogen.» Ob er das ernst meinte? Das wusste man bei ihm nie so genau.