Beim Essen und Trinken in geselliger Runde kommen bekanntlich oft die besten Ideen. So auch bei Daniel Spoerri. 1959 verwandelte er zum ersten Mal einen Esstisch in ein Kunstwerk und schuf so sein erstes tableau piège, also Fallenbild. Zahlreiche weitere folgten – und sie machten Spoerri international bekannt.
Alltag wird Kunst
Für seine tableaux pièges liess der Schweizer Künstler reale Situationen «in die Falle gehen». Er fixierte alle Objekte, die zu einem bestimmten Zeitpunkt auf einem Esstisch standen – oder auf einem Arbeitstisch oder Flohmarktstand – und hängte die Tischplatten als Bilder an die Wand. Ein Stück Alltagswirklichkeit, eingefangen für immer.
Beim Inszenieren dieser Fallenbilder spielte der Zufall eine grosse Rolle: «Ich zeige, was ich zufällig vorfinde. Und ich bin selbst so, fast kann man sagen, arrogant, dass ich es selber nicht einmal beeinflussen möchte. Selbst wenn es mich stören würde, dass ein Bleistift links oben liegt und mir würde er links unten besser gefallen, dann lasse ich ihn, wo ich ihn gefunden habe.»
Daniel Spoerri wurde 1930 in Rumänien geboren und kam mit 12 Jahren mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in die Schweiz. Er wuchs bei seinem Onkel in Zürich auf und studierte Tanz in Zürich und Paris. Das Stadttheater Bern engagierte ihn als Solotänzer. Dort inszenierte er Avantgardestücke von Ionesco und Tardieu. Zeitgleich versuchte er sich als Kurzfilm-Regisseur.
1959 zog Daniel Spoerri nach Paris. Er wurde einer der Mitbegründer der Gruppe Nouveau Réalisme und gestaltete seine ersten Fallenbilder.
Am Nullpunkt der Kunst
Für Spoerri waren die Fallenbilder eine Möglichkeit, die Kunst infrage zu stellen: «Der Begriff des tableau piège war notwendig in den 1960er-Jahren, ähnlich wie Yves Klein, der mit einer Rolle das Bild blau gestrichen hat. Das war auch so ein Nullpunkt der Kunst.»
Spoerri und seine Altersgenossen wollten die Kunst neu definieren und stellten den herrschenden Kunstbegriff infrage. Und die Vorstellung vom guten Geschmack.
Spoerri machte das buchstäblich: Ende der 60er-Jahre eröffnete er in Düsseldorf das Restaurant der Sieben Sinne. Künstler wie Joseph Beuys oder Ben Vautier führten dort Aktionen durch. 1970 kam die Eat Art Gallery hinzu, in der Bankette stattfanden, die wiederum in Fallenbildern mündeten. Nicht alles, was dabei auf den Teller kam, war besonders appetitlich. Es konnte auch durchaus passieren, dass man nicht gemütlich aufessen konnte. Denn wenn der Künstler die Falle zuschnappen liess, wurde die Tafel buchstäblich aufgehoben.
Spoerri veröffentlichte auch Kochbücher. Darin ging es weniger ums Kochen, sondern mehr um die Kunst. «Ich habe den Geschmackssinn infrage stellen wollen», sagte Spoerri dazu. Das galt nicht nur in kulinarischen Belangen. Spoerri interessierte, wie und weshalb die Vorstellung von Schönheit sich im Lauf der Zeit wandelt.
Sinn fürs Schöne hatte Spoerri dabei durchaus. Seit den 1990er-Jahren legte er in der Toskana mit «Il Giardino» einen weitläufigen Skulpturenpark in paradiesischer Umgebung an.
Er reflektierte auch das Zeitgeschehen: 2015 fertigte Spoerri für das Museum Niederösterreich die Skulpturengruppe «Dead End». Bronzefiguren mit verdrehten Gliedmassen, die an Krieg und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemahnen sollen.