Mit Werner Merzbacher verliere die Kunstwelt einen ihrer bedeutendsten Sammler, schreibt das jüdische Wochenmagazin «Tachles». Denn obwohl Merzbacher im Pelzhandel gross geworden war, galt seine Leidenschaft der Kunst.
Gemeinsam mit seiner Frau Gabrielle Merzbacher-Mayer hat Merzbacher in den 1960er-Jahren begonnen, eine Kunstsammlung nach eigenen Vorlieben aufzubauen. Es ist ein hochkarätiges Ensemble moderner Malerei.
Liebhaber der Moderne
Sechs Jahrzehnte lang sammelte Werner Merzbacher Meisterwerke der Moderne. Von frühen Kandinskys über Matisse bis zu Hauptwerken von Beckmann – viele der grossen Namen der Kunstgeschichte waren in seiner Sammlung vertreten.
Doch 2021 nahm er Abschied von seinen Kunstwerken. Er lieh den Grossteil seiner Sammlung für die nächsten 20 Jahre dem Kunsthaus Zürich. Er wollte der Stadt etwas zurückgeben, sagte er, denn ohne die Schweiz würde es ihn vielleicht gar nicht geben.
Flucht vor den Nazis
Merzbacher hat es weit gebracht, obwohl seine Biografie alles andere als vielversprechend begann. Aufgewachsen in der Nähe von Stuttgart, musste er Deutschland 1939 verlassen. Juden waren in der Schule nicht mehr erwünscht, und seine Eltern schafften es noch rechtzeitig, ihn mit einem Kindertransport in Richtung Schweiz zu retten.
Seine letzte Erinnerung: Wie er vom Zug aus zum Abschied winkte, im Arm noch den Fussball, mit dem er gespielt hatte. Seine Eltern wurden im Konzentrationslager Majdanek ermordet.
Schweiz als Zufluchtsort
Merzbacher gehörte zu den 30’000 Juden, die die Schweiz in dieser Zeit aufnahm. Er hatte Glück und landete bei einer Gemeindeschwester in der Nähe von Zürich.
Nach dem Krieg wanderte der staatenlose Merzbacher in die USA aus, heiratete die Schweizerin Gabrielle Mayer und kehrte 1964 ins Pelzgeschäft ihres Grossvaters zurück. Bei ihm begegnete er zum ersten Mal einer Kunstsammlung. Bald wurde ihm klar: würde er jemals genug Geld verdienen, dann wäre die Kunst seine Passion.
Ein Gespür für die Ware Kunst
Mit dem Erfolg im Pelzgeschäft und später in der Finanzwelt begann er sich intensiv seiner Leidenschaft zu widmen. Bald suchte er weltweit in Auktionshäusern nach seinen Bildern. Denn das Gespür zur richtigen Zeit, die richtige Ware zu ersteigern, hatte er vom Pelzhandel.
Die Sammlung Merzbacher kam zeitgleich mit der Sammlung Bührle ins neue Kunsthaus. Gegensätzlicher könnten die Biografien der beiden Sammler nicht sein: auf der einen Seite der geflüchtete Jude, der Kriegsprofiteur während der Nazizeit auf der anderen. Zwei Biografien, geprägt vom 2. Weltkrieg.
Vor allem interessierte Merzbacher sich für die Bilder der Impressionisten. Die satten Farben des französischen Südens hatten es ihm angetan. Doch auch Kandinskys Weg in die Abstraktion faszinierte ihn. Und obwohl er Deutschland den Rücken gekehrt hatte, behielt er ein Flair für die deutschen Expressionisten.
Die Wohnung des Ehepaars Merzbacher war voll von Kunst. Kein bisschen Wand war mehr zu sehen. Als Werner Merzbacher im Sommer 2021 Abschied von seinen Bildern nehmen musste, war er schon etwas wehmütig. «Das Leben ändert sich», sagte der damals 93-Jährige.