Dass Kunstwerke aus hauseigener Sammlung verkauft werden, ist für Museen eigentlich ein Tabu. An diesem Tabu wird derzeit aber gerüttelt.
Erst kürzlich kam ein Werk von Jackson Pollock aus dem Besitz des Everson Museums in Syracuse für 12 Millionen Dollar unter den Hammer. Auch das Brooklyn Museum in New York will zwölf Bilder versteigern lassen. Darunter Werke von Cranach, Courbet und Corot.
In Schweizer Museen zeigt sich eine ähnliche Tendenz. Reicht das Geld nicht, wird Kunst verkauft. So geschehen am Kunstmuseum Bern. Auch im Museum Langmatt in Baden will man durch Verkäufe ein Millionendefizit decken.
Raub am kulturellen Erbe oder vertretbare Strategie? Markus Stegmann, Direktor des Museums Langmatt, hat dazu eine klare Haltung.
SRF: Wenn Museen Teile ihrer Sammlung verkaufen, gehen Werke aus den öffentlichen Sammlungen in Privateigentum über. Ist das eigentlich schlimm?
Markus Stegmann: Ich plädiere in erster Linie dafür, dass man sehr genau hinschaut, warum ein Museum seine Werke verkauft. Die Gründe und Ziele sind im Einzelfall ja sehr unterschiedlich.
Die letzten Jahrzehnte waren international davon geprägt, dass Museen in grossem Stil Werke erwerben konnten oder Schenkungen erhalten haben. Mittlerweile sind viele Museums-Depots aber übervoll und fast alle machen sich Sorgen darüber, wie sie die Werke unterhalten sollen. Wenn ein Museum seine Werke also verkauft, weil es seine Existenz bedroht sieht, ist es wohl die Wahl zwischen Pest und Cholera. Das war auch bei uns so.
Man möchte ja das Kulturgut erhalten und nicht verkaufen.
Sie wollen damit ein Defizit von 40 Millionen Franken decken. Ist Ihnen der Entschluss zu verkaufen, schwergefallen?
Ja, natürlich fällt das schwer. Schliesslich möchte man das Kulturgut ja erhalten und nicht verkaufen. Die Stiftung – also der Träger unseres Museums – droht aber, insolvent zu werden. Das Kapital ist drastisch geschmolzen. Das bedeutet, dass ein relativ grosser Betrag generiert werden muss, um das Stiftungskapital so zu stabilisieren, dass das Museum in Zukunft von der Rendite getragen werden kann.
Nach welchen Kriterien trifft man denn so einen Verkaufsentscheid?
Da gibt es ganz viele Dinge, die man prüfen muss. Zum Beispiel, ob ein Verkauf überhaupt möglich ist. Bei uns war das der Fall – mit Ausnahme der Hauptwerke, die sind geschützt durch unsere Statuten. Gott sei Dank, muss ich sagen.
Dann muss man schauen, was die Stiftungsaufsicht dazu sagt und überlegen, was das für die Geschichte einer Sammlung bedeutet. Man prüft auch, welche Werke den erforderten Betrag erbringen würden.
Welche wären das in Ihrem Fall?
Das können wir noch nicht sagen, weil dazu erst eine Volksabstimmung in Baden notwendig ist. Die wird voraussichtlich in drei Jahren stattfinden.
Unserer Meinung nach, ist das Museum und die Sammlung ganz klar bedroht.
Laut den Richtlinien des Internationalen Museumsverbands ICOM sind Verkäufe vertretbar, wenn die Sammlung nicht geschwächt und das Geld in den Betrieb reinvestiert wird. Ist Ihr Entschluss somit vertretbar?
Genau genommen gibt es zwei Paragrafen in den ICOM-Statuten. Der eine Paragraf sagt, dass die Richtlinien des Museums den Verkauf erlauben müssen. Das ist bei uns der Fall. Der andere sagt, dass die Mittel – ich zitiere – «ausschliesslich zum Nutzen der Sammlung zu verwenden sind.» Der Existenz-Fall ist in den ICOM-Statuten also überhaupt nicht vorgesehen.
Das heisst, Sie bewegen sich in einer Grauzone.
Wir bewegen uns in dem Bereich, in dem man unterschiedliche Meinungen haben kann zu diesem Paragrafen 2.16. Unserer Meinung nach ist das Museum und die Sammlung aber ganz klar bedroht. In diesem Fall dient der Verkauf dem Nutzen der Sammlung.
Das Gespräch führte Katrin Becker.