Immer wieder hat Bryan Thurston die Greina durchwandert – und noch öfter gezeichnet. 5000 seiner Werke beherbergt allein die Grafische Sammlung in der Nationalbibliothek in Bern. Druckgrafiken, Collagen, Aquarelle und Zeichnungen, Skizzen- und Künstlerbücher. Thurston war damals wie besessen, hat gezeichnet, Ausstellungen organisiert, Menschen bewegt.
Die Greina ist eine Hochebene zwischen Graubünden und dem Tessin. Unberührte Natur – kein Haus, keine Seilbahn, keine Masten. Dass das so ist, ist der Verdienst einiger Umweltschützer, darunter eben jener Künstler und Architekt Bryan Thurston.
Im Licht des Klimawandels
Sein Sohn, Patrick Thurston, hat nun einen Film über seinen Vater und dessen Einsatz für die Greina gemacht. Den Widerstand gegen den Stausee hat er damals als Teenager miterlebt. Mittlerweile ist er – wie sein Vater auch – Architekt.
Jetzt, wo sein Vater 91 Jahre alt ist und der Klimawandel Fragen nach Energiegewinnung neu stellt, lässt er den Kampf um die Greina noch einmal Revue passieren: Vor laufender Kamera sichtet er Fotos, zeigt alte Super-8-Aufnahmen und blättert mit dem Vater zwischen all den Druckgrafiken und Collagen, die über die Jahrzehnte entstanden sind.
Mit den Händen begreifen
«Als ich ein Kind war, hat er immer in seinem englischen Dialekt gesagt: ‹Nur die Poesie kann die Greina retten.› Und ich habe gedacht, was ist das für ein komischer Mensch? In der Schweiz braucht man Anwälte und Geld, wenn man etwas bewegen will. Und er hat gesagt: ‹Nein, ich zeichne, ich schaffe in dem Metall. Das ist meine Arbeit.›»
Bryan Thurston hat über Jahre hinweg die einzigartige Landschaft der Greina mit seinen Händen zu begreifen und zu fassen versucht. «Er hat immer mit seinen Händen Kunst gemacht. Er hat die Kupferdrucktechniken sehr weit entwickelt, ausgeschöpft, kombiniert, mit anderen Techniken, collagiert. Hat viele Ausstellungen gemacht, über die Greina in Büchern publiziert», sagt Patrick Thurston über seinen Vater.
Schwierige Vater-Sohn-Beziehung
Bryan Thurston war beseelt, stellenweise auch besessen von der Idee, die Ursprünglichkeit dieser Hochebene zu bewahren. Patrick Thurston, der mittlere von drei Söhnen, hat ihn bei seinen Bergtouren oft begleitet.
Für ihn war die Faszination des Vaters etwas, «das uns alle überrollt hat. Das sehr viel Raum eingenommen hat, und wo es schwer war, selbst ein Pflänzchen zu sein, das wachsen will und sich artikuliert. Das hat das erdrückt oder auf die Seite gespült. Oder schwierig gemacht den Vater als Mensch und als Bezugsperson zu erleben.» Der Film erzählt also auch von einer Vater-Sohn-Beziehung, die nicht immer einfach war.
Heute blickt Patrick Thuston versöhnlich zurück und ist stolz auf das, was sein Vater mit Kunst und Vehemenz hat bewegen können: 1986 entschied man: Die Greina, die Hochebene wird nicht geflutet, das Wasserkraftwerk nicht gebaut. Die Poesie hatte es also geschafft.
Kinostart: 17. Oktober 2024