Das kleine Rot, das ist Rosa: rote Farbe, mit Weiss verblasst. Sie hatte es in sich: Mit ihr unterstrichen europäische Adlige noch Mitte des 18. Jahrhunderts ihre Macht, indem sie sich in rosa Kleidern porträtieren liessen. Mit Rosa kam man den Majestäten nicht in die Quere. Denn das kostbare Purpurrot war dem König vorbehalten. Rosa war eine Ahnung davon.
Diese Geschichte erzählt die Kunst- und Modehistorikerin Hayley Edwards-Dujardin in ihrem Buch «Rosa». Von Botticelli bis Christo spannt sie episodenhaft den Bogen und schaut zwischendurch auch über den Rand der westlichen Kultur.
Eine sexplizite Farbe
Ein Aquarell von 1627 versinnbildlicht, dass Rosa in der indischen Tradition die Hochzeit symbolisiert.
Dass sich Shah Jahan, der Erbauer des Taj Mahal, in einem rosafarbenen Mantel wie eine religiöse Ikone abbilden lässt, illustriert seine Offenheit anderen Kulturen gegenüber, unterstreicht aber auch seine Macht.
Bis Rosa Frauen zugeschrieben wird, vergeht einige Zeit. Erst hilft die Farbe, den Hautton der weissen Bevölkerung zu malen. In der Renaissance kreieren Maler den Farbton «Fleischfarben» – und mischen dazu Rote-Erde-Pigment mit Kalkweiss.
«Cuisse de nymphe émue» – «Schenkel einer ergriffenen Nymphe» hiess poetisch ein Ton, den 1775 ein Hutmacher erfand. Bald schon hatte Rosa auch eine deutlich sexuelle Komponente.
Wo Schönheit ist, ist Gefahr
«Das Leben ist eine Rose, von der jedes Blütenblatt eine Illusion und jeder Dorn eine Realität ist», schrieb der französische Dramatiker Alfred de Musset. Die Rose ist auch in der bildenden Kunst präsent als Blume und Metapher für Schönheit, die Gefahr birgt.
Besonders sprechend in Lawrence Alma-Tademas Gemälde «Die Rosen von Heliogabalus» von 1888: Der Maler zeigt den Herrscher, wie er bei einem Bankett seine Gäste in Fluten von rosaroten Rosenblättern erstickt.
Und die Frauen? Im 19. Jahrhundert wird Rosa die Farbe des Feminismus. Laut der Autorin dauerte es bis zur industriellen Revolution, bis die Farbe chemisch hergestellt werden konnte; erst dann wurde Rosa auch durch die Kunst eine weibliche Farbe.
Pink ist Pop
Seither hat sie viele Schattierungen dazu gewonnen. Pinke Inseln flottierten vor Miami, die Christo und Jeanne-Claude Anfang der 1980er-Jahre angelegt hatten. Dazu hielt das Duo fest: «Ich möchte Orte, an denen ich arbeite, nicht stören oder erstarren lassen. Ich versuche lediglich, Momente der Überraschung und des Staunens zu schaffen.» Elf umhüllte Inseln: mit Rosa als künstlicher Kontrast zum natürlichen Blau des Wassers.
Die Farbe Rosa schafft es auch in die Popkultur: Die «Homage to Monopink 1960 A» des Japaners Takashi Murakami ist eine Anklage an die oberflächliche Konsumgesellschaft. Es ist eine Lithografie von 2012, die lachende mehrheitlich pink- und rosafarbene Blumen vereint.
Letztlich ist Rosa natürlich auch Ausdruck einer Gefühlslage. Zum Beispiel beim rosafarbenen Himmel bei Claude Monet oder im pinkleuchtenden Neonschriftzug mit der Aufforderung: «Just love me» von Tracey Emin.
Das sich als Gesamtkunstwerk verstehende Paar Eva & Adele präsentiert sich im «Polaroid Diary» 1993 ganz in Rosa. Unterstützt durch die Farbe Rosa hebeln beide die Geschlechtergrenzen aus. Auch das ist «Rosa»: eine kulturgeschichtliche Annäherung an eine Farbe ohne rosarote Brille.