In einer frühen Arbeit stellte Olafur Eliasson nur einen Scheinwerfer in einen Raum. Im Schein des Lichts erkannte man an der Wand ein Fensterkreuz, nicht mehr. Mit einem ganz subtilen visuellen Effekt lenkte er die Wahrnehmung des Publikums. In einer anderen Arbeit waren 24 Scheinwerfer so gegeneinander gerichtet, dass sie einen Quader aus Licht bildeten. Die Scheinwerfer erschufen einen Raum, aber gleichzeitig bildeten sie eine Grenze, die man nicht überschreiten konnte. Licht als Volumen, als Raumerfahrung und als Mittel zur Reflexion zwischen sich und der Welt. Das interessierte Eliasson.
Kunst mit vergänglichem Material
Eliasson war einer der vielen Künstlern der 1990er-Jahre, die dem verwertbaren Kunstobjekt kritisch gegenüber standen. Er nutzte ephemere Dinge wie Licht, Luft und Nebel für seine Kunst. Und er widersetzte sich dem Drang zu Grossinstallationen.
Während andere wie Thomas Hirschhorn oder Jonathan Meese ihre Materialschlachten vorführten, reduzierte Eliasson seine Kunst auf einfache Eingriffe im Raum. Beispielhaft war eine Aktion in Stockholm, in der Passanten erstaunt das knallgrüne Wasser ihres Flusses entdeckten, das Eliasson mit Farbe eingefärbt hatte. Er benutzte dabei Farbe, mit denen Wissenschaftler Flussläufe markieren.
Eliasson setzte immer schon auf Verblüffung, spielte mit der Erwartungshaltung der Leute und liess Nachbilder entstehen, bei denen man sich fragte, was genau man da wirklich gesehen hatte.
Eine zweite Sonne
Eine wichtige Rolle spielte bei Eliasson auch immer wieder die Sonne. Als Däne isländischer Herkunft ist er von den Lichtverhältnissen des Nordens geprägt. Der Übergang zwischen Tag und Nacht ist eines seiner Themen. So überraschte er mit seiner Arbeit «Double Sunset» die Bewohner Utrechts, als er eine zweite Sonne am Horizont aufbaute, die hinter ein paar Bäumen unterzugehen schien.
Als er dann in der Tate Modern die Illusion einer echten Sonne schuf, waren ihm alle erlegen. Das «Weather Project» zog zwei Millionen Menschen in den Bann und wurde zur erfolgreichsten Ausstellung eines Gegenwartskünstlers. Die einen hielten die Leuchtstoffröhren, die durch grosse Spiegel und viel Nebel zu einer Riesensonne mutierten, für einen grossen Naturkitsch. Die anderen sonnten sich im künstlichen Naturereignis im Museum. Für die Museumsleute war jedenfalls klar: Das war ein Künstler, der die Massen mobilisieren konnte. Von da an wurde er herumgereicht, künstliche Wasserfälle in New York, «Art Cars» für den Autohersteller BMW. Sogar die Luxusindustrie wurde auf ihn aufmerksam.
Eliasson, der Tüftler
Einer der grossen Vorzüge von Olafur Eliasson ist seine Experimentierfreudigkeit. Im Zuge seiner Karriere hatte er sich in Berlin, wo er jahrelang wohnte, eine Art Labor aufgebaut, wo Ingenieure, Tüftler und Architekten ihm halfen, seine visuellen Tricks umzusetzen. Je länger je mehr nutzten sie das Austüfteln optischer Tricks für die Erforschung von Materialien und die Entwicklung von Baustoffen, die man dann in der Architektur einsetzen konnte. So geschehen mit dem Bau der Fassade, die Eliasson für die neue Oper in Reykjavik entworfen hatte. In der Kunst war er zu Hause. Doch mit dem Licht hatte er längst begonnen, den Rest der Welt zu erkunden.
Und so entstand auch das Projekt «Little Sun». Mit seinem Freund, dem Ingenieur Frederik Ottesen, hat er eine kleine Solarlampe entwickelt. Bei diesem Projekt geht es weniger um Kunst. Es geht um das Energieproblem in den entlegenen Dörfern Afrikas und Indiens, wo es keinen Strom gibt. Mit Solarleuchten, die sich tagsüber aufladen, um nachts zu leuchten, könnte man schädliche Kerosin- und Öllampen ersetzen und sowohl Bildung wie auch soziales Leben vermehrt nachts stattfinden lassen.
Ein Exkurs als Entwicklungshelfer
Doch wie wird aus dem Künstler ein Entwicklungshelfer? Eliasson entwickelte ein Geschäftsmodell. Ein Teil seiner in China produzierten Lampen begann er dort zu verkaufen, wo es Strom im Überfluss gibt – im Westen, vor allem in Museen und Designerläden, wo man den Namen Eliasson kennt. Mit dem Profit reduziert er den Kaufpreis für seine Solarlampe in den Drittweltländern und baut ein Vertriebssystem auf. Die grösste Konkurrenz für Solarenergie ist der billige Ölpreis. Ob seine Rechnung aufgeht, Designobjekt da und notwendige Lichtquelle dort, ist unsicher. Doch Eliasson ist optimistisch. Er will in den nächsten Jahren Millionen von Leuchten unter die Leute bringen.
Die Solarlampe nimmt er in die Kunstszene mit
Derweil ist er wieder zurück im Kunstzirkus. Seine aktuelle Ausstellung eröffnete er im Dezember 2014 in der Fondation Louis Vuitton in Paris. Im Neubau des Architekten Frank Gehry installierte er monumentale, in Licht getauchte Spiegelsäulen und zeigt die ganze Lichtpalette der Marke Eliasson. Neu dabei als Gadget, das er auf sich trägt: «Little Sun» – seine Leuchte für Afrika.