Seit 100 Tagen ist er im Amt: Philippe Bischof, der neue Chef der Pro Helvetia. Er leitet die Schweizer Kulturförderstiftung mit rund 90 Mitarbeitenden und verwaltet ein Jahresbudget von über 40 Millionen Franken.
Bischof äussert sich zu seinen Plänen und Visionen – und kündigt eine schärfere Auswahl bei der Förderung von Projekten an.
SRF: Weniger Giesskanne, mehr Leuchttürme: Sie möchten selektiver in der Kulturförderung vorgehen. Welche Kultur wird künftig gefördert und welche nicht?
Philippe Bischof: Das kann man so allgemein nicht sagen. Pro Helvetia hat Kriterien wie jede Kulturförderinstitution. Ich finde, wir sollten ein verstärktes Bewusstsein für eine gewisse Nachhaltigkeit innerhalb einer Künstlerlaufbahn haben.
Wir wissen, dass sich das Kulturangebot stark vermehrt hat. Wir wissen, dass viele Kulturschaffende unter prekären Bedingungen produzieren. Ich finde es schwierig zu sagen: «Da tragen wir auch dazu bei.»
Deshalb müssen wir uns ganz genau fragen, ob wir das Richtige auf die richtige Art und mit den richtigen Mitteln fördern.
Das heisst konkret?
Die Kulturangebote haben sich stark vermehrt in den letzten 10, 15 Jahren. Die Kultur ist sehr international geworden. Viele junge Kunstschaffende stossen in den Markt. Aber man konnte die Mittel, die zur Verfügung stehen, nicht entsprechend erhöhen.
Verlage müssen sich genau überlegen, ob sie das Risiko eingehen können, ein Buch zu übersetzen.
Jetzt haben wir die groteske Situation, dass man mit einer wunderbaren Vielfalt umgehen will und muss. Aber andererseits die verfügbaren Mittel immer breiter verteilen muss.
Sie möchten den Künstlerinnen und Künstlern den Zugang zum Markt ermöglichen. Wird jetzt nur noch Kunst gefördert, die sich verkaufen lässt?
Ich würde es genau umdrehen. Das grosse Thema ist der Zugang zum Markt. Nehmen wir das Beispiel Literatur. Wir wissen, das qualifizierte Übersetzen von sperriger Literatur ist kein kommerzielles Geschäft.
Verlage müssen sich genau überlegen, ob sie das Risiko eingehen können, ein Buch zu übersetzen, von dem sie wissen, es wird nicht wahnsinnig viel verkauft.
Es geht genau darum, die Sperrigkeit zu übersetzen. Auch das Nischige, das eine hohe Qualität hat.
Mit der Übersetzung verschaffen wir Büchern und damit Autorinnen und Autoren den Zugang zum Markt. Und wir tragen dazu bei, dass die Vielfalt erhalten wird.
Manchmal ist gute Kunst aber auch sperrig und nicht unbedingt massenwirksam.
Genau deswegen können das unterstützen, was nicht ohnehin breit wahrgenommen wird – mit Promotionsmassnahmen oder kommunikativ. Oder indem man das Buch in eine andere Sprache überträgt.
Eine Künstlerin, die Kinder hat, packt nicht einfach die Koffer.
Es geht darum, die Sperrigkeit zu übersetzen. Das Nischige, das eine hohe Qualität hat, in andere Wahrnehmungen zu überführen.
Sie haben auch angekündigt, die Fördermodelle auf den Prüfstand zu stellen. Stichwort Gender-Gerechtigkeit: Was haben Sie sich da vorgenommen?
Die Frage der Gender-Gerechtigkeit ist einfach formuliert, aber in der Praxis nicht ganz so einfach. Nehmen Sie etwa die Residenzförderung: Wir haben das wunderbare Instrument, dass wir Kulturschaffenden in verschiedenen Ländern dieser Welt Residenzunterstützung anbieten können.
Aber eine Künstlerin, die Kinder hat, packt nicht einfach so die Koffer und geht für ein halbes Jahr nach Mexiko. Jetzt kann ich sagen: Sie hat halt Pech, sie kann nicht teilnehmen.
Wir müssen uns überlegen, ob es alternative Fördermodelle für diese Künstlerin gibt. Oder muss man die Familie mit unterstützen? Es ist wichtig, dass man die spezifischen sozialen und biografischen Situationen anschaut.
Bei der Gender-Gerechtigkeit geht es um die Frage, inwiefern wir Frauen den Zugang zur Förderung gewährleisten. Selbstverständlich im gleichen Masse wie den Männern.
Das Gespräch führte Katrin Becker.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 20.1.2018, 17:10 Uhr.