Es ist das grösste und wichtigste Gemälde der Niederlande: «Die Nachtwache» von Rembrandt. In den letzten zweieinhalb Jahren schwirrten Makro-Röntgenfluoreszenzscanner und Infrarot-Strahlungsmesser um das Gemälde im Amsterdamer Reichsmuseum. Diese avancierten Untersuchungsmethoden sollten Aufschluss über die Entstehung des Werks sowie dessen Zustand geben.
Leinwand wirft Wellen
Normalerweise hängt Rembrandts imposantes Gruppenporträt einer Amsterdamer Schützengilde in der Ehrengalerie im «Rijks», wie die Einheimischen das kolossale Kunsthaus liebevoll nennen. Aber seit ein paar Tagen liegt die «Nachtwache» platt auf dem Bauch. Das habe es seit fast 50 Jahren nicht mehr gegeben, sagt Tacco Dibbits, der Direktor des Reichsmuseums.
«Die Nachtwache», die der Alte Meister 1642 gemalt hatte, ist in die Jahre gekommen: Die Originalleinwand weist am oberen Rand Wellen auf. Dies wurde bei der gründlichen Untersuchung der letzten Monate festgestellt. Diese müssen nun geglättet werden – allerdings nicht mit einem Bügeleisen, sondern mit Gewichten.
Federn halten die Spannung unter Kontrolle
Sobald die Deformationen verschwunden sind, wollen die Restauratorinnen und Restauratoren den heutigen Keilrahmen durch eine Metallkonstruktion ersetzen. Was bedeutet, dass die sogenannte Dublierleinwand, die 1975 während der letzten Restauration angebracht worden war, entfernt werden muss.
Dafür ist Restauratorin Anna Krekeler zuständig. Sorgfältig zieht sie zur Vorbereitung Nagel um Nagel aus dem Zusatztuch und bewahrt sie in einem Glasgefäss auf.
In einem nächsten Schritt gilt es dann, einen kleinen Tunnel in eine neue Dublierleinwand zu nähen, damit eine dünne Edelstahlstange durchgezogen werden kann. Daran werden in kleinen, in die Leinwand geschnittenen Öffnungen feine Metalldrähte befestigt, die zu Federn laufen. Diese werden das Gemälde schlussendlich unter Spannung halten.
Weitere Schwachstellen gefunden
Das Restaurationsteam hofft, dass in etwa zwei Monaten «Die Nachtwache» wieder an die Wand gehängt und vom Publikum bewundert werden kann. Was allerdings danach passiert, ist derzeit noch völlig offen.
Die ausführlichen Untersuchungen haben zwar mehrere Schwachstellen zu Tage gefördert. Ob und wie diese behoben werden sollen, wissen die Verantwortlichen aber noch nicht. Es gebe mehrere Optionen, erklärt Robert van Langh, der Restaurationschef des Reichsmuseums. Darüber werde noch diskutiert.
Wie Affen im Käfig
Dabei gehe es nicht nur um restaurationsethische Fragen, ergänzt Anna Krekeler: «Es ist wichtig, bei jedem weiteren Schritt Vorteile und Risiken abzuwägen.» Erschwerend kommt hinzu, dass die monumentale «Nachtwache» (3,63 x 4,37 Meter) nicht ins Restaurationsatelier passt. Sie muss an ihrem Standort in der Ehrengalerie bleiben.
Das bedeutet, dass das Restaurationsteam vom Publikum beobachtet wird – wie Affen im Käfig. Zwar trennt eine Glaswand Bild und Besucherschar. Aber für Anna Krekeler und ihre Kolleginnen und Kollegen ist es trotzdem eine riesige Herausforderung: Sie sind sich das stille Atelier gewöhnt, wo sie ruhig und konzentriert arbeiten können.
Feinarbeit vor Publikum
Wenn aber – wie vor der Pandemie – 2,7 Millionen Menschen das Reichsmuseum besuchen und fast alle die «Nachtwache» sehen wollen, wirkt sich dieser ständige Geräuschpegel negativ aus.
Es brauche ein gewisses Bewusstsein, um unter diesen Umständen an diesem Werk zu arbeiten, gibt Anna Krekeler zu. Und fügt an: «Es ist eine Herausforderung – aber keine, die wir nicht annehmen können.»