Über 400 Werke hat der Kabarettist Fritz Grünbaum in seinem Leben gesammelt. Er war bis zum Auftrittsverbot für jüdische Künstler 1938 eine Grösse in der Wiener Theaterwelt, gerühmt für seinen selbstironischen Humor. Als es bei einem seiner letzten Auftritte zu einem Stromausfall kam, soll er gescherzt haben: «Ich sehe nichts, absolut gar nichts, da muss ich mich in die nationalsozialistische Kultur verirrt haben.»
Da hört der Spass auf
Heute sind die Werke aus der Sammlung Grünbaum in der ganzen Welt verstreut – in Museen, bei Kunsthändlern und auch bei Privatbesitzern. Zwei davon sind nun offiziell als Raubkunst eingestuft. Der Oberste Gerichtshof der USA hat ein Urteil von 2018 bestätigt: Der Galerist Richard Nagy muss sie den Nachkommen des Kabarettisten zurückgeben und zudem 700'000 Dollar Schadenersatz und Zinsen berappen.
Die beiden Werke von Egon Schiele – «Frau mit schwarzer Schürze» und «Frau, das Gesicht verbergend» – hatte die Schwägerin Grünbaums in den 1950er-Jahren dem Berner Kunsthändler Eberhard W. Kornfeld verkauft. Jahrzehnte später stellte sie Nagy in New York aus. Dort wurden sie beschlagnahmt. Mehrmals ging der Galerist gegen das Urteil des Supreme Court vor. Vergeblich. Nun gibt es nichts mehr daran zu rütteln.
Raubkunst oder nicht – das ist die Frage
Ein erstaunlicher Vorgang. Kaum ein Fall ist so akribisch untersucht worden wie der Fall Grünbaum. Gerichte, Herkunftsforscher und Raubkunst-Kommissionen haben sich damit beschäftigt. Doch bis heute gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Sammlung von den Nationalsozialisten geraubt wurde oder dass die Werke unter Druck verkauft werden mussten.
Es erscheint sogar sehr unwahrscheinlich: Die Bilder, um die jetzt in den USA gestritten wurde, befanden sich nach dem Zweiten Weltkrieg nachweislich in der Familie, bei Grünbaums Schwägerin, die sie nach Bern verkaufte. Schon allein deshalb ist die Raubkunstthese wenig plausibel. Doch es gibt eine Lücke in der Herkunftsgeschichte. Das haben die Anwälte der Nachkommen ausgenutzt.
Der Druck auf Museen wächst
Für viele Kunsthändler ist es ein ärgerliches Urteil. Sie wehren sich seit Jahren gegen das Raubkunst-Etikett, wenn es um Werke aus der Grünbaum-Sammlung geht. Der Makel des Verdachts ist schlecht fürs Geschäft. Auch der Druck auf die Museen dürfte noch einmal zunehmen, vor allem in Österreich, der Heimat von Fritz Grünbaum. Die Wiener Albertina und das Leopold-Museen besitzen mehrere Werke aus der Sammlung.
Staatliche Gremien dort haben sich in den letzten Jahren gegen eine Rückgabe ausgesprochen. Gut möglich, dass es nun neue Vorstösse, vielleicht sogar Klagen, geben wird. Der Wiener Herbert Gruber, seit langem im Dienst der Grünbaum-Erben, äusserte sich 2015 mit entwaffnender Offenheit über das Kalkül: «85 Prozent solcher Verfahren enden mit einem Vergleich.» Meist geht es dabei um eine Beteiligung am Verkaufserlös.