Verdrahtete Grenztürme, Checkpoints am Laufmeter und nervöse Soldaten, die stundenlang mit ihren Feldstechern auf die andere Seite starren. Jederzeit bereit zum Gefecht. Das Grenzgebiet von Nord- und Südkorea ist ein hochgerüsteter Flecken Erde. Ein letztes Überbleibsel des Kalten Krieges. Der vier Kilometer breite Streifen, genannt Demilitarisierte Zone (DMZ), zerschneidet die beiden Länder. Ein menschenleeres Landstück, das von keiner Konfliktpartei betreten werden darf.
Kunst gegen das Vergessen
Beide Seiten sorgen mit Touristenführungen an die Grenze, dass dieser Konflikt nicht in Vergessenheit gerät. Zu bestaunen gibt es aufgeschüttete Erdwälle, unterbrochene Zugverbindungen und den Ausblick auf die grünen Hügel des Niemandslands.
Nun hat Südkorea die internationale Kunstwelt eingeladen, aus dieser Situation Kunst entstehen zu lassen. Eine Gruppe der Genfer Kunsthochschule HEAD präsentiert deshalb im renommierten koreanischen Kunstraum Artsonje die Ausstellung «Territories of Assembly». Im nächsten Jahr werden die künstlerischen Erfahrungen aus dem Grenzgebiet in der Schweiz gezeigt.
Rosenzüchten in Korea
Denise Bertschi hat im Rahmen dieses Projekts ihre Recherche der langjährigen Präsenz von Militärbeobachtern gewidmet. Seit über 60 Jahren überwacht die Schweiz gemäss dem Waffenstillstand-Abkommen die Zone zwischen den beiden Ländern. Bertschi entdeckte in der militärischen Bibliothek am Guisanplatz in Bern eine Sammlung privater Bilder von stationierten Schweizern, die teilweise Jahre in Korea verbrachten in einem Zustand des militärischen Stillstands.
«Die Bilder haben keinen militärischen Wert. Doch genau das fand ich interessant», sagt die Aargauer Künstlerin. «Sie zeigen einen relativ idyllischen Alltag inmitten dieser militärischen Bedrohung». So wurden die Archivbilder zum Gegenstand ihres Buches «State Fiction» und Teil der Ausstellung.
Die Fotografien zeugen von intimen Momenten – sei es beim Rosen schneiden im Garten oder beim Sonnenbad auf dem Balkon. Die Kaserne, eine kleine Schweiz, ist eingerichtet wie eine Berghütte in Arosa. Doch irgendwie passt dieses Bild in die paradoxe Situation der Soldaten, führt Bertschi aus.
Die Brille des Künstlers
«Die Bilder zeugen von einer Periode, in der die Schweizer Regierung eine weit aktivere Rolle in der Weltpolitik anpeilte», sagt sie. 1953 entsandte die Schweiz über 100 Beobachter in das koreanische Grenzgebiet. Der Bundesrat nutzte das Image der neutralen Schweiz mit dem Ziel, das Land aus der Isolierung zu befreien, in die es am Ende des Zweiten Weltkrieges geraten war.
Sie hat für ihre Recherche die Schweizer Mission besucht und wollte erfahren, was ein abstrakter Begriff wie Neutralität, in einer konkreten Konfliktsituation bedeutet. Heute wachen noch fünf Schweizer und fünf schwedische Beobachter über die Grenzzone. Die Kommunikation mit der nordkoreanischen Seite ist schwierig. Die Post im Briefkasten des kommunistischen Regimes wird nicht mehr abgeholt. Der Handlungsspielraum ist stark eingeschränkt, erzählt die Künstlerin.
Neben den privaten Einblicken von Bertschis Werk, beleuchtet die Ausstellung «Territories of Assembly» mit ähnlich persönlichen Zugängen der Künstler. Zugegeben, diese Werke werden die verfahrene Situation nicht ändern. Doch sie erzeugen vielschichtige Einblicke in einen jahrzehntelangen militärischen Konflikt, den man bis jetzt nur in den Nachrichten zu Gesicht bekam.