1989, dem Jahr des Mauerfalls, verschwand auch ein Pfeiler der Westschweizer Industrie: Die Firma Paillard, die während Jahrzehnten für ihre Bolex-Kameras und Hermes-Schreibmaschinen berühmt war.
Als sie im Dezember 1989 zuging, verloren auch die letzten Arbeiterinnen und Arbeiter die Stelle. Es waren mehrere hundert, wie etwa Eliane Besançon. «Da geht viel verloren», sagte sie damals dem Westschweizer Fernsehen: «Wir sind hier daheim. Wir haben bei Paillard mehr Zeit verbracht als zu Hause.»
Das Baby war der Kassenschlager
In der Blütezeit hatten über 4000 Angestellte in den Werken von Hermes-Paillard in Sainte-Croix und Yverdon gearbeitet. Kassenschlager war die Hermes Baby. Die Schreibmaschine war schick, in einem Aktenkoffer transportierbar und vergleichsweise leicht.
Fünf Millionen Exemplare der Hermes Baby wurden in der Romandie gefertigt. Weltweit gab es Hermes mit 88 verschiedenen Tastaturen. Auch auf Arabisch oder Hebräisch konnte man mit einer Hermes Baby schreiben, von rechts nach links wohlverstanden.
Diese Modelle können in der Ausstellung auf dem Schloss Yverdon angeschaut werden. Dann kam der Niedergang, weil Hermes den Fortschritt in der Elektronik verpasst hatte, sagt Sébastien Mettraux, der die Ausstellungen konzipiert hat: «Bei Paillard glaubte man hartnäckig an die Mikromechanische Industrie, an Schweizer Know-How. Dadurch kam man verspätet zur Elektronik.»
Ein zweites Leben in der Kunst
Die Schreibmaschinen verschwanden zwar, aber sie behielten ihren festen Platz in der Kunstwelt. Davon erzählt die zweite Ausstellung im Centre d’art contemperain gleich neben dem Schloss.
Dort sind Grössen der Typewriter-Art zu sehen, wie Ruth Wolf-Rehfeldt mit ihren Mischungen aus Worten und Grafiken, alles mithilfe von Schreibmaschinen auf A4 Blätter gedruckt.
Ausgerechnet 1989, als die Mauer fiel und HermEs zuging, hörte die ostdeutsche Künstlerin auf zu produzieren, sagt Sébastien Mettraux. Sie sei jetzt frei, sei ihre Begründung gewesen.
Am papierenen Faden
Aber nicht nur 30 Jahre alte Werke wie jene von Ruth Wolf-Rehfeldt sind vertreten. Mit Loreen Fritsch zeigt eine Künstlerin aus Baden-Baden ihre Werke, die erst 1989 geboren wurde. Ihre Bilder zeigen weniger Worte, sondern Blätter oder Berge. Alles mit der Schreibmaschine gezeichnet.
Ein Werk von Emmanuele De Ruvo sticht heraus aus der Ausstellung: Eine sechs Kilogramm schwere Schreibmaschine, die an einem langen Papierband schwebt. Der Titel: «Gravity of Situation», der Ernst der Lage.
Für Sébastien Mettraux ist dieses Werk ein Sinnbild: «Die Schreibmaschine, aber dahinter auch unsere Geschichte und unser Schaffen, hängen am seidenen Faden, Sie schweben zwischen dem Bewahren und dem Zusammenbruch.»
Hier hängt für einmal keine Hermes Baby, der Hersteller dieser Schreibmaschine heisst ausgerechnet Corona. Ein Zufall, aber auch ein Bildnis für die Situation der Menschen in dieser Pandemie.
Die Schreibmaschinen sind zwar verschwunden, aber in Yverdon ist eine Reise in die Vergangenheit möglich. Und in die Gegenwart der Kunst, in der die Schreibmaschine noch immer präsent ist.