Er war einer der bedeutendsten Schweizer Reportagefotografen: Rob Gnant. Nun ist er 86-jährig gestorben. Der Luzerner, der auch als Kameramann und Filmautor tätig war, prägte in den 50er- und 60er-Jahren einen neuen realistischen Stil im Schweizer Fotojournalismus.
Gnant hinterlässt ein Werk mit über 200’000 Negativen, das von der Fotostiftung Schweiz verwaltet wird. Peter Pfrunder, Direktor der Stiftung, kennt das Werk von Gnant und weiss, was den Fotografen geprägt hat.
SRF: Sie haben Rob Gnant persönlich gekannt. Was war er für ein Mensch?
Peter Pfrunder: Er war ein bescheidener Mensch und hat sich nicht zu ernst genommen. Er war humorvoll, hat gerne Geschichten erzählt, sich aber nie in den Vordergrund gedrängt. Man musste ihm die Geschichten manchmal auch entlocken. Er war eher ein spröder Typ, aber wenn er mal in Fahrt kam, gingen die Geschichten los.
Die Armut hat ihn stark geprägt.
Gnant war das soziale Engagement wichtig. Er sagte einst mit leichter Ironie, er habe die Welt ein wenig verbessern wollen. Wie hat sich das in seinem Werk geäussert?
Gnant stammte aus bescheidenen Verhältnissen. Er war der Sohn einer alleinerziehenden Mutter, wuchs in den 30er-Jahren in Luzern auf und kannte das Schicksal der Armut in der Jugend. Das hat ihn stark geprägt.
Es war ihm ein Anliegen, als Fotograf über diese Situation zu berichten oder sich einzufühlen in andere Menschen, die Ähnliches erleben. Er hat sich gerne für Aussenseiter eingesetzt, für die Schwachen, für diejenigen, die unter dem Wirtschaftswunder gelitten haben. Es gab ja nicht nur Profiteure, es gab auch die Schattenseiten.
2003 haben Sie eine Ausstellung mit Werken von Gnant aus den 1950er-Jahren kuratiert. Damals hat Gnant einen neuen fotojournalistischen Stil mitgeprägt. Was war daran neu?
Gnant war ein Teil dieser Aufbruchsszene, dieser jungen Fotografengeneration, die sich von der guten Form abgewandt hat. Sie suchte nicht mehr nur das scharfe, präzise Bild, sondern vielmehr die Stimmung darin. Gnants Bilder sind atmosphärisch.
Sie leben von spannenden Lichtverhältnissen. Er fotografierte etwa in der Kohlengrube. Das ist sehr speziell, das muss man beherrschen.
Rob Gnant hat sich nie besonders aufgespielt als Fotograf.
Er liebte diese körnigen, kontrastreichen Bilder. Manchmal sind sie verschwommen, schnell gemacht. Man spürt häufig auch den Film als Referenz. Ursprünglich wollte er Kameramann werden. Das wurde er später auch, aber bevor es soweit war, musste er durch die Schule der Fotografie und des Sehens.
Das Wichtige an diesen Bildern ist die Dynamik. Nicht mehr die Suche nach dem entscheidenden Augenblick zählte, sondern die klimatischen Verhältnisse, die sich in Erzählungen ausdrücken – in Bildern, die Vor- und Nachgeschichte enthalten. Es geht also nicht um den Moment, seine Bilder enthalten vielmehr ein Fragment, das etwas weitererzählt.
Gnant ist heute weniger bekannt als etwa sein Zeitgenosse René Burri. Warum ist das so?
Es gibt zwei Gründe. Das eine ist seine Persönlichkeit. Rob Gnant hat sich nie besonders aufgespielt als Fotograf. Er ging 1970 zum Film, hat als Kameramann viel mit Alexander Seiler zusammengearbeitet. Dabei geriet seine Fotografie in Vergessenheit.
Ausserdem gab es damals einen Umbruch in der Reportagefotografie. Mit diesem Umbruch hatte Gnant seine Stellung verloren. Er hat Dinge gemacht, die später durch das Fernsehen abgedeckt wurden. Das hat solche Positionen, wie sie Gnant hatte, ein bisschen aus der Öffentlichkeit verdrängt.
Das Gespräch führte Annelis Berger.