Jährlich zeichnet der Pax Art Award Schweizer Medienkunst aus. Den Hauptpreis erhielten 2020 die Pioniere Monica Studer und Christoph van den Berg. Jetzt zeigen sie und die beiden anderen Preisträgerinnen, Maria Guta und Simone C Niquille, neue Arbeiten im Haus der elektronischen Künste Basel (HeK).
Die Ausstellung hat es in sich, nach über einem Jahr Corona. Homeoffice, Videokonferenzen, Online-Shopping – die Pandemiemassnahmen brachten einen Digitalisierungsschub im Alltag. Vielen Menschen waren Computer, Handys, digitale tools und Geräte nie näher. Was das für Auswirkungen hat, interessiert plötzlich alle. Die Medienkunst interessierte sich dafür schon immer.
Digitale Erlebnisse
Als Pioniere beschäftigt sich das Schweizer Künstlerduo Monica Studer und Christoph van den Berg seit den 1990er-Jahren mit dem Verhältnis von Mensch und Maschine. Ihre berühmte Arbeit «Hotel Vue des Alpes» ermöglichte vor 20 Jahren Erlebnisse in einer virtuellen Bergwelt und ist nun wieder zugänglich.
Schon da wurde deutlich, dass Studer/van den Berg ein Flair fürs Fiktive besitzen, ist diese ganze Bergwelt doch vom Gleissenhorn bis zum Melzpass aufs Glaubwürdigste erstunken und erlogen.
Mitleid mit Geräten
Im Pandemiejahr entwickelten Studer/van den Berg mit derselben spielerischen Ironie «T.R.I.P.» – eine App für gestresste Handys. Das Künstlerduo diagnostizierte nämlich vielen Geräten nach dem intensiven Corona-Jahr ein Burnout.
Abhilfe schaffe da ein Kreis mit wechselnden Farben, der auf dem Handyscreen von Gelb zu Grün und Rot changiert. Das Farbenspiel solle User und Gerät in einer Art Trance wieder näher bringen. «Auf dieser neuen Ebene können sich die Geräte gut mit den Menschen finden. Unserem Telefon hat es geholfen», flunkert Christoph van den Berg und gibt schliesslich zu: «Das ist natürlich Fiktion». Nur die Handy App, die gibt’s wirklich.
Knollen mit Kabeln
Witze machen, Geschichten erzählen, fabulieren: Das ist die Methode, die Studer/van den Berg anwenden, um mit ironischer Distanz brandaktuelle Fragen zu umspielen.
Das gilt auch für ihre grosse Installation «Wolfskind Project» im HeK: Wurzelknollen liegen verkabelt auf einem Plateau und liefern angeblich Strom für einen Bildschirm, Steintürme von prähistorischer Wucht stehen herum, stellen sich allerdings bald als Karton-Deko heraus, daneben kichernde Holzkisten und an der Wand zahlreiche Schautafeln.
Mit viel Aufwand wird der Besucherin hier eine aberwitzige Story aufgetischt. Sie bringt Forscher und Hippies im Urwald zusammen und erzählt wie beide in den 1960er-Jahren eine künstliche Intelligenz nutzten.
Die Ausstellungsstücke und Artefakte sollen als fiktionale Fundstücke die Geschichte untermauern und Betrachterinnen und Betrachter zum Grübeln bringen. Was trauen wir Technologien eigentlich alles zu? Und warum?
Fiktiver Furor
So viel Lust am Fabulieren, so viel Aufwand, eine Story zu bauen und zu vermitteln. «Wir glauben, das ist eine gute Form, um nicht bierernst über brisante Fragen nachzudenken», erklärt Monica Studer den fiktiven Furor.
Und so hinterfragt das Künstlerpaar Studer/van den Berg Technikgläubigkeit, ohne pessimistisch zu werden. Und setzt in seiner Kunst auf eine uralte Technik: das Erzählen von Geschichten, das Fabulieren, Fantasieren. Das funktioniert nach wie vor – am digitalen Lagerfeuer oder am analogen.