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Schweizer Starfotograf wird 75 Alberto Venzagos Odyssee zu Mick Jagger und zur Mafia

Der Zürcher Alberto Venzago war lange als Kriegsreporter unterwegs – und lichtete Stars wie Mick Jagger, Andy Warhol oder Nicolas Cage ab. Seine Karriere: ein Glücksfall.

«Menschen sind unberechenbar. Sie zu fotografieren, ist ein Abenteuer», beschreibt Alberto Venzago sein Schaffen. Sein Abenteuer als Fotograf beginnt schon früh und sorgt schnell für Aufsehen. Zumindest in der Nachbarschaft.

Als Teenager fotografiert er Mädchen – nackt. «Völlig unschuldig», wie er betont. Ungeheuerlich fanden es jedoch die Eltern eines Modells – auch damals, in den wilden 60ern. Sie klagten gegen die Eltern des noch minderjährigen Talents. Venzagos Vater nahm’s gelassen: Schlicht «Spiesser» seien das.

Mann mit Brille fotografiert mit Kamera auf Veranstaltung.
Legende: Von Kindesbeinen an bis ins hohe Alter stets an Albert Venzagos Seite: eine Fotokamera. KEYSTONE/Walter Bieri

Albert Venzago wird in einer Familie von Freigeistern gross. Als Kind einer deutschen Schauspielerin und eines italienischen Architekten und Musikers will auch er eine Künstler-Karriere verfolgen.

Klarinettist ist sein Traum, bis ihm ein Motorradunfall in die Quere kommt. Sein Arm war zu lädiert für das Spiel an einer Klarinette. Jedoch genug funktionstüchtig für die Kamera. Der Unfall war «ein Glücksfall», wie er sagt.

Abtauchen in Abgründe

Mit knapp 20 Jahren wandert Venzago nach Australien aus. Er machte erste fotografischen Arbeiten – bei einem Stamm von Ureinwohnern. Es ist ein Reisen in Welten, die vielen verborgen bleiben – aber auch das Abtauchen in menschliche Abgründe. Und das zeichnet seine Arbeit fortan aus.

Venzago ist lange als Kriegsreporter unterwegs – unter anderem im Iran unter Khomeini. Auch abseits der Kriegszonen sucht er Extreme: Er rückt die Kinderprostitution auf den Philippinen in den Fokus, begleitet 12 Jahre einen Voodoo-Kult in Benin und taucht fünf Jahre in die Welt der japanischen Mafia Yazuka ab.

Seine Arbeit ist immer auch mit Strapazen und viel Geduld verbunden: «Bei der japanischen Mafia habe ich sechs Monate gewartet, bis ich die Kamera herausgeholt habe», so Venzago.

Dass es Venzago auch heute noch reizt, Grenzen auszuloten, zeigt auch ein jüngeres Projekt. «One», ein Gemeinschaftsprojekt mit seiner Partnerin, zeigt Fotografien, inspiriert vom Abgründigen, vom Dunklen. Ein Werk, das für die gewagte Reihe steht: Seine Partnerin Julia Fokina – nackt und blutend am Kreuz.

Karriere voller Kontraste

Nicht nur Abgründiges oder Grauenhaftes zeigt Venzago aber mit seiner Kamera. Er bewegt sich auch gerne in der Welt des Glamours. Er begleitet Bands wie Pink Floyd oder die Rolling Stones auf Tournee, fotografiert Stars wie Sting oder Tina Turner.

Ein Highlight unter seinen Star-Momenten: An Weihnachten 1984 darf er gar Warhol in seiner Factory ablichten. Und wird statt der geplanten 15 Minuten gar einen ganzen Tag mit der Künstler-Ikone verbringen.

Gauguins Geist auf der Spur

Für sein aktuelles Projekt ist der heute 75-Jährige in Polynesien unterwegs. Auf den Spuren von Paul Gauguin – und den Nachkommen der Frauen, die für seine Gemälde Modell standen.

«Mein Leben ist eine unendliche Jagd nach dem Unbekannten», soll Gauguin gesagt haben. Diese Jagd: Sie scheint auch Venzago stets auf seiner fotografischen Reise zu begleiten. Zur Ruhe kommen? Keine Option: «Ich werde irgendwann am Stativ heruntergleiten und tot sein.»

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 10.2.2025, 17:10 Uhr

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