- An den abstrakten deutschen Künstler Otto Freundlich erinnert sich heute kaum jemand.
- Eher traurige Bekanntheit erlangte seine Skulptur «Grosser Kopf» – sie prangte 1937 auf dem Katalog der Nazi-Ausstellung «Entartete Kunst».
- Das Kunstmuseum Basel widmet Freundlich eine Ausstellung, die viel über Politik und Kunstszene seiner Zeit erzählt.
Der Name Otto Freundlich sagt auch den meisten Kunstkennern nichts. Der deutsche Maler und Bildhauer (1878 - 1943) ist zu Lebzeiten nie so richtig bekannt und nach seinem Tod gründlich vergessen worden.
Eine Arbeit Freundlichs aber haben viele an Kunst und Geschichte Interessierte schon einmal gesehen: Eine Fotografie seiner Skulptur «Grosser Kopf» prangte auf der Begleitbroschüre der Ausstellung «Entartete Kunst». Sie wurde von den Nationalsozialisten eingerichtet und ab 1937 in verschiedenen deutschen Städten gezeigt.
Otto Freundlichs Skulptur wurde gewissermassen zum Paradebeispiel dafür, was man im Dritten Reich unter unerwünschter Kunst verstand.
Hinweise auf eine Kopie des Kopfs
In Geschichtsbüchern ist die Fotografie heute noch oft zu sehen. Immer dann, wenn es darum geht, wie die Nationalsozialisten mit moderner Kunst umsprangen. Was die Bücher nicht erzählen ist, dass die Nazis offenbar eine Replik der Skulptur anfertigen liessen.
Die Kunsthistorikerin Julia Friedrich und ihre Assistenten stiessen im Rahmen umfangreicher Recherchen zu Otto Freundlich auf Hinweise, dass eine Kopie des «Grossen Kopfes» in Umlauf gebracht wurde.
Die Gründe dafür sind noch ungeklärt. Vielleicht war das Original stark beschädigt und konnte nicht mehr gezeigt werden, und man fertigte eine Kopie an, weil man nicht darauf verzichten wollte, diese Arbeit zu präsentieren. Ein Werk, das möglicherweise als besonders «entartet» eingestuft wurde.
Mehrfach verdächtig
Einiges spricht dafür, dass der «Grosse Kopf» den Nationalsozialisten ein besonderer Dorn im Auge war. Sein Schöpfer, Otto Freundlich, war Jude und Kommunist und damit gleich mehrfach verdächtig. Er lebte meist in Paris. Nach dem Ersten Weltkrieg hatte er einige Zeit an der Restaurierung der Fenstermosaiken der Kathedrale von Chartres mitgewirkt.
Das war für den Kaufmannssohn aus Pommern ein wichtiges Erlebnis. Die farbenprächtigen Fenster schienen ihm die Verbindung von Mensch und Kosmos zu symbolisieren. In seiner Kunst – farbkräftige Bilder und grossformatige Skulpturen – versuchte er kosmische Weite, soziale Utopien und neuestes wissenschaftliche Erkenntnisse zu verbinden.
Seine persönliche Kunsttheorie wirkt heute etwas verquast. Seine abstrakten Werke sind typisch für die Zwischenkriegsjahre und erinnern stark an Konstruktivismus und Expressionismus.
Hilfe aus Basel
Unter seinen Künstlerkollegen war Otto Freundlich sehr angesehen. Namhafte Kunstschaffende wie Picasso, Giacometti, Kandinsky schätzten sein Werk. Beim Publikum hatte er jedoch keinen Erfolg. Otto Freundlich blieb auf Unterstützung von Freunden angewiesen.
Zum Beispiel auf die der Basler Volksschullehrerin Hedwig Muschg, die ihm immer wieder etwas Geld zukommen liess und versuchte, Basler Sammler für Freundlich zu begeistern.
Auch in der Kunstwelt hatte Freundlich einige Unterstützer, etwa den ehemaligen Direktor des Kunstmuseums Basel, Georg Schmidt, der den Künstler in Paris besuchte und Werke von ihm kaufte. Doch Freundlichs Situation blieb prekär.
Als die Deutschen in Frankeich einrückten, versteckte Freundlich sich in der Provence. Doch er wurde entdeckt und 1943 in einem Konzentrationslager ermordet.
Im Spannungsfeld der Zeit
Die Kunsthistorikerin Julia Friedrich hat Otto Freundlichs Geschichte in mehrjähriger Arbeit recherchiert und eine Ausstellung aufgebaut, die zunächst im Museum Ludwig in Köln gezeigt wurde, und jetzt in Basel zu sehen ist.
Die Schau zeigt einen Künstler, dessen Werk vor allem typisch für die frühe Abstraktion ist – dessen Lebensweg aber auf enge und spannungsvolle Weise mit Persönlichkeiten, politischen Strömungen und den grossen Katastrophen seiner Zeit verbunden war.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Kompakt, 9.6.17, 16:50 Uhr