In Italien wird jedes Jahr viel Kunst gestohlen. Vor allem aus Kirchen und privaten Sammlungen. Ob die «Madonna mit dem Kind» von Sandro Botticelli gestohlen wurde, ist derzeit jedoch unklar. Aktuell ermittelt die Sondereinheit der Carabinieri für den Schutz des Kulturerbes von Neapel.
Eine Herausforderung, denn seit dem Verschwinden des Botticelli-Gemäldes sind mehr als 50 Jahre vergangen.
Botticellis Geschenk an den Papst
Ursprünglich hing die «Madonna mit dem Kind» von Sandro Botticelli (1445–1510) in der Kirche Santa Maria delle Grazie in der kleinen Ortschaft Santa Maria la Carità bei Neapel über einem Altar. Sie war, so der britische Botticelli-Experte Ronald W. Lightbown, ein Geschenk des Malers an Papst Sixtus IV.
Der liess sie der Kirche bei Neapel zukommen, um der Familie Medici eine Freude zu bereiten, die Besitz in der Umgebung der Ortschaft erworben hatte. Die Madonna auf dem Gemälde, weiss der Kunsthistoriker Peppe Di Massa, stelle Botticellis Geliebte und Muse Simonetta Cattaneo Vespucci dar.
Ersten Untersuchungen von Kunsthistorikern zufolge stammt das Gemälde aus der reifen Spätphase des Renaissancemalers. Wahrscheinlich in den 1930er-Jahren wurde das Gemälde, dessen Wert heute auf etwa 100 Millionen Franken geschätzt wird, Teil der Kunstsammlung einer Familie mit dem Namen Somma. Seitdem gab es keine Hinweise mehr auf das kostbare Madonnenbild.
In der Nudel-Hauptstadt aufgetaucht
Der Botticelli wurde jetzt in einer Wohnung der Familie Somma in der für ihre Nudeln berühmten Kleinstadt Gragnano südlich von Neapel wiederentdeckt. Wie das Kunstwerk dorthin kam, ist noch vollkommen unklar.
Nicht ausgeschlossen ist, dass das Gemälde – wie zahllose andere Kunstwerke von grossem Wert – unrechtmässig in Privatbesitz gelangte. Durch Diebstahl oder das Zahlen von Schmiergeldern an korrupte katholische Geistliche. Dies war und ist im Grossraum Neapel keine Seltenheit.
Die Behörden wollen nun wissen, ob die Sommas dokumentarisch nachweisen können, dass sie ein Recht auf den Besitz dieses Gemäldes haben. Wenn dies nicht der Fall ist, geht der Botticelli an den italienischen Staat über.
Gemälde muss komplett restauriert werden
Die «Madonna mit dem Kind» befindet sich in einem sehr schlechten Zustand. Die Oberfläche des Gemäldes ist voll mit Schmutz, Staub und zahlreichen Rissen. In den vergangenen Jahren wurden eine oder auch mehrere Schutzschichten auf die Ölfarbe gestrichen. Diese Substanz provozierte eine Oxidation des Ölfilms.
Jetzt wird sich das nationale Restaurierungsinstitut des angeschlagenen Botticellis annehmen, um es genau zu untersuchen und dann zu restaurieren. Nach dieser Restaurierung, die wahrscheinlich ein Jahr dauern wird, kann der wiederentdeckte Botticelli ausgestellt werden – in welchem Museum Neapels ist noch unklar.
Ebenfalls unklar ist, ob sich die Besitzer des Gemäldes, in deren Wohnung der Botticelli entdeckt wurde, dagegen wehren werden. Eines ist indes klar: Ohne einen lückenlosen dokumentarischen Nachweis, dass sie die rechtmässigen Eigentümer sind, wird das Kunstwerk nicht mehr an ihre Wohnzimmerwand zurückkehren.