Zum Inhalt springen
Man sieht einen Teil der Ausstellung. Man sieht Reifen und eine Wand mit einem Text.
Legende: Ein grosser intellektueller Bauspielplatz: Thomas Hirschhorns Ausstellung im Palais de Tokyo. (Foto: André Morin) Adagp, Paris

Kunst Thomas Hirschhorn enzündet die Flamme der Freundschaft in Paris

«Präsenz und Produktion» heisst das Motto von Thomas Hirschhorn. Unter dem Titel «Flamme Éternelle» hat der Schweizer für den Pariser Palais de Tokyo eine Ausstellung entworfen, die gleichzeitig auch Atelier ist. Der Künstler ist anwesend. Von Mittag bis Mitternacht.

«Flamme Éternelle»

Box aufklappen Box zuklappen

Die Ausstellung «Flamme Éternelle» von Thomas Hirschhorn findet bis zum 23. Juni im Palais de Tokyo in Paris statt.

«Suivre les pneus» steht auf einem Pappkartonschild in der Eingangshalle des Palais de Tokyo. Alte Autoreifen weisen nicht nur den Weg. Auch eine Etage tiefer, auf der 2000 Quadratmeter grossen Ausstellungsfläche hat Thomas Hirschhorn aus Tausenden Reifen Wände aufgetürmt. Sie unterteilen den Raum in kleinere Bereiche und schaffen, so die Absicht des Künstlers, eine Werkstattatmosphäre.

Überall stehen Sofas und Sessel, die mit dem für Hirschhorns Kunst typischen braunen Klebeband überzogen sind. Von der Decke und an den Wänden hängen Kartons und Banner mit unvollständigen Zitaten. «Ich will keine Zukunft, ich will eine...» heisst es da zum Beispiel. Oder «Pessimismus des Verstandes, Optimismus des.....». Robert Walser und Antonio Gramsci lassen grüssen – und laden ein, selbst weiter zu denken.

Beiträge zum Artikel

Künstlerischer Bauspielplatz

Selbermachen – das geht auch in einer Art Bastelecke. Die Besucher haben die Möglichkeit, aus Styropor und braunem Klebeband Objekte herzustellen. Wer will, kann sich auch Filme anschauen, im Internet surfen, am Computer arbeiten, an der Bar ein Bier trinken oder sich in einer kleinen Bibliothek ein Buch nehmen.

Wie ein grosser intellektueller und künstlerischer Bauspielplatz mutet diese Ausstellung an. Mittendrin hat Thomas Hirschhorn zwei Flammen entzündet. Unter dem wachsamen Auge von Feuerwehrleuten – so fordern es die Sicherheitsvorschriften der öffentlichen Kulturinstitution – werden sie bis zum 23. Juni brennen, bis zum Ende des Projekts «Flamme Éternelle».

Flammen der Freundschaft

«Die ewige Flamme steht für die Freundschaft von Kunst, Philosophie, Poesie und Literatur», sagt Hirschhorn. Denn, davon ist er überzeugt, «nur Kunst, Philosophie, Poesie und Literatur können wirklich heute in unserer Welt eine eigenständige autonome Kraft entwickeln und haben die Möglichkeit, etwas zu verändern.»

Thomas Hirschhorn arbeitet im Palais de Tokyo einmal mehr nach dem Prinzip «Präsenz und Produktion». Das bedeutet vor allem: Der Künstler ist anwesend. Jeden Tag. Von Mittag bis Mitternacht. Unterstützt wird er dabei vom Philosophen Marcus Steinweg und dem Dichter Manuel Joseph, sowie von rund 200 geladenen Gästen. Philosophen, Dichter, Künstler und Schriftsteller sollen mit ihren Beiträgen die ewige Flamme der Freundschaft von Kunst und Philosophie am Brennen halten. Die Liste der Teilnehmer hängt am Eingang der Ausstellung. Wer allerdings wann interveniert, weiss nur Hirschhorn selbst. Es gibt kein Programm.

Eintritt frei

Das Kunstprojekt «Flamme Éternelle» bricht bewusst mit den traditionellen Regeln des Kulturkonsums. Dazu gehört auch, dass der Eintritt frei ist. Niemand soll fürs Wiederkommen «bestraft» werden, sagt Thomas Hirschhorn. «Ich bin präsent, und ich produziere etwas», sagt er. «Ich träume doch davon, dass ein anderer oder eine andere auch jeden Tag kommt und auch mit mir etwas produziert. Und deshalb muss es gratis sein.»

Und so wollte, sollte und müsste man, um dem Kunstwerk «Flamme Éternelle» gerecht zu werden, selbst jeden Tag von Mittag bis Mitternacht dort sein, um zu sehen und zu erleben, was da tatsächlich produziert wird. Oder auch nur, um sicherzugehen, dass die Flamme der Freundschaft von Philosophie und Kunst nicht erlischt.

Meistgelesene Artikel