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Uli Siggs Museum M+ Kunstfreiheit in Hongkong unter Druck

Die Corona-Pandemie und ein politischer Streit überschatten die Eröffnung von Uli Siggs Kunstmuseum M+ in Hongkong.

Mit mehreren Jahren Verspätung hat diese Woche das Kunstmuseum M+ in Hongkong eröffnet. Das Museum hat gleich einen doppelten Bezug zur Schweiz: Es wurde von den Schweizer Stararchitekten Herzog & de Meuron erbaut und basiert weitgehend auf der Sammlung des ehemaligen Schweizer China-Botschafters Uli Sigg.

Drei Wochen Quarantäne bei Einreise

Am Eröffnungstag fehlten jedoch wichtige Gäste. Wegen der Coronavirus-Pandemie und den strengen Einreisebestimmungen blieben die Architekten fern. Und auch die internationale Fachpresse fehlte. Die drei Wochen Quarantäne hatte einzig Uli Sigg auf sich genommen.

 Umso mehr freut den Sammler das Interesse der Bevölkerung: «Es ist ein Museum für Hongkonger. Und die Hongkonger sind hier.» Der Ansturm auf die Museumtickets war so gross, dass das Netz nach vier Minuten zusammenbrach. «20'000 Menschen versuchten ein Ticket zu buchen.»

M+ soll Hongkong auf die kulturelle Weltbühne heben

Für Uli Sigg ist die Eröffnung ein Meilenstein. Der Schweizer hat einen Grossteil seines Lebens in China verbracht. Zuerst als Geschäftsmann für den Liftbauer Schindler, später als Schweizer Botschafter in Peking. Während dieser Zeit begann er, zeitgenössische chinesische Kunst zu sammeln.

2012 vermachte Uli Sigg 1500 Werke dem Museum M+. Rund ein Fünftel der Bilder ist jetzt ausgestellt. «Das Museum wird Hongkong auf die kulturelle Landkarte der Welt bringen», ist Museumsdirektorin Suhanya Raffel überzeugt.

Nationales Sicherheitsgesetz betrifft auch die Kunstwelt

Auch wenn am Eröffnungstag die Euphorie gross ist, steht das Museum unter Druck. Im Sommer 2020 verabschiedete Peking ein nationales Sicherheitsgesetz für Hongkong.Das Gesetz verbietet unter anderem «Volksverhetzung», «Abspaltungswünsche vom Mutterland» und «Zusammenarbeit mit fremden Mächten». Andernfalls drohen drakonische Strafen.

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Legende: Am Freitag wurde das Museum eröffnet. Keystone / AP Photo/Kin Cheung

Obwohl sich das Gesetz ursprünglich gegen die pro-demokratische Protestbewegung in Hongkong richtete, betrifft es zunehmend die lokale Kunstwelt. Auch das Museum M+ geriet zwischen die politischen Fronten.

Fotoserie von Ai Weiwei sorgte für einen politischen Streit

Die Sammlung von Uli Sigg umfasst auch politische Werke. Zum Beispiel vom chinakritischen Künstler Ai Weiwei. Auf einem Bild streckt der chinakritische Künstler Ai Weiwei seinen Mittlelfinger zum Tiananmen-Platz in Peking. Im Frühling begann die pekingtreue Politikelite das Museum deswegen anzufeinden.

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Legende: «Rouge 1992» des chinesischen Künstlers Li Shan im neu eröffneten M+ Museum. Keystone / AP Photo/Kin Cheung

Henry Tang, Leiter des «Kowloon Cultural District», versprach am Tag der Eröffnung: «Ich kann sagen, dass wir keine Mittelfingerfotos zeigen werden.» Das Bild schüre Hass auf das Mutterland. «Aber wir werden Ai Weiweis Kunstwerke ausstellen.»

Uli Sigg musste für seine Werkschauliste kämpfen

Obwohl das Foto mit dem Mittelfinger nie für die Eröffnungsausstellung vorgesehen war, musste Uli Sigg für seine Werkschauliste kämpfen: «Dazu hat es viele Diskussionen gebraucht, sehr viel erklären. Es ist uns jedoch gelungen, diese Liste durchzusetzen.» Am Ende hätten die zuständigen Behörden eingelenkt.

Auch wenn Uli Sigg zurzeit in Hongkong zeigen kann, was er will: Die politische Lage hat sich nicht zu seinen Gunsten entwickelt, und wird für seine Sammlung und das Museum M+ eine Herausforderung sein.

 

SRF 1, 10 vor 10, 10.11.2021, 21:50 Uhr

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