Alles begann mit einer wunderlichen Entdeckung: Vor einigen Jahren stiess Christiane Jacquat, Kuratorin im Botanischen Museum der Universität Zürich, im Museumskeller auf Holzschachteln mit über 200 Glasdias.
Als sie die 8 x 10 Zentimeter kleinen Lichtbilder genauer inspizierte, geriet sie ins Staunen: Die ursprünglichen schwarzweissen Bilder waren von einem «I.H.» von Hand koloriert worden.
Jacquat sah, dass der unbekannte I.H. Farbnuancen, Schattierungen und den Lichteinfall virtuos und mit künstlerischer Begabung auf die Platten hingezaubert hatte. Die Bilder waren berührend schön.
Für Jacquat begann eine abenteuerliche Recherchearbeit, die sie schliesslich zu Josef Hanel führte. Hanel kam 1865 im damaligen Sudetenland auf die Welt. Seine Berufskarriere begann er als Dekorationsmaler. Später spezialisierte er sich auf die Herstellung farbiger Lichtbilder zu Lehrzwecken.
Überlebenswichtige Pilzbilder
Einen wichtigen Auftrag erhielt Hanel 1915 von Hans Schnegg, Professor für Landwirtschaft. Schnegg wollte die Hungersnot während und nach dem Ersten Weltkrieg lindern, indem er den Leuten riet, proteinreiche Pilze zu sammeln und zu essen. Gute Bilder waren dabei überlebenswichtig. Hanel lieferte für die Pilzbücher erstklassige Arbeit.
Zwischen 1915 bis zu seinem Tod 1940 entwickelte Hanel eine beeindruckende Handfertigkeit. Das Fotografieren und Kolorieren hat er autodidaktisch gelernt, vermutet Christiane Jacquat.
Pinsel aus Marderhaar
Seine Fotografien von Blütenpflanzen, Farnen, Flechten und Pilzen waren präzis und darum für Wissenschaftler interessant. In den Kolorierungen bewies Hanel geradezu Exzellenz.
Mit der einen Hand hielt er die Lupe, mit der anderen führte er den feinen Marderhaarpinsel auf den kleinen Glasplatten und malte feinste Staubblätter und zarte Flugschirme des Löwenzahns.
Für 1.80 Reichsmark das Stück verkaufte er seine Bilder. Umgerechnet wären das heute rund 8 Franken. Hanels Lichtbilder eigneten sich für grosse Projektionen besser als gewöhnliche Farbbilder, die im frühen 20. Jahrhundert bereits aufgekommen waren. Heute zeugen seine Pflanzenfotografien von einem alten Handwerk – und gleichzeitig sind seine kolorierten Glasdias kleine Kunstwerke.