Schaufensterdekoration und Bildende Kunst sind eng miteinander verwoben. Kunstschaffende wie Jean Tinguely setzten wichtige Impulse im Bereich der Schaufenstergestaltung. Die Ausstellung «Fresh Window» im Tinguely Museum in Basel beleuchtet diese Beziehung. Ein Einblick.
1. Elmgreen & Dragset: «Prada Marfa» (2005)
Man stelle sich vor, man fahre über eine lange, leere Strasse im Hinterland von Texas. Büsche und trockenes Gras am Strassensaum. Und dann das: ein Schaufenster der italienischen Luxus-Marke Prada. Das Künstlerduo Elmgreen & Dragset hatte es 2005 installiert. Ausgestellt waren Prada-Handtaschen und 14 rechte Schuhe, welche Prada zur Verfügung gestellt hatte.
Die Idee: Langsam sollte der Luxus verwittern. Doch dazu kam es nicht. Schon in der ersten Nacht wurde der ungewöhnliche Shop im Niemandsland geplündert. Er machte damit weltweit Schlagzeilen und Prada profitierte von der PR.
2. Manon (1976)
«Das kehre ich jetzt mal um», dachte die Schweizer Künstlerin Manon. Manon, Pionierin der Schweizer Performance-Kunst, hat Anfang der 1970er-Jahre das Rotlichtviertel in Amsterdam besucht. Sie war fasziniert: weibliche Prostituierte ausgestellt in Schaufenstern.
Wieder zu Hause machte sich Manon ans Werk. Sie stellte sieben Männer, besonders schöne, wie sie betonte, in einem Schaufenster aus. Damals ein grosser Aufreger.
3. Lynn Hershman Leeson (1976)
1976 an der Fifth Avenue in New York. Passanten bleiben erstaunt stehen vor den Schaufenstern des berühmten Warenhauses Bonwit Teller. Filme gibt es hier, Hologramme, Fotos und: Ein Fenster ist durchbrochen und die Schaufensterpuppe scheint nach draussen zu streben. Die Auflösung klarer Grenzen. Tatsächlich taucht die Schaufensterpuppe später plötzlich an verschiedenen Plätzen in New York auf.
4. Tinguely: «Rotozza III» (1969)
Vor einem Schaufenster in der Berner Innenstadt bildeten sich 1969 Trauben an Schaulustigen. Kopfschütteln, Gelächter, Ärger – das Treiben im Schaufenster liess niemanden kalt. Das berühmte Warenhaus Loeb zeigte im Fenster eine Maschine, die serienmässig Teller zerschlug. Insgesamt 12'000 Stück.
Verantwortlich dafür war der Schweizer Künstler Jean Tinguely. Auf spielerische Weise kritisierte er den übermässigen Konsum in der westlichen Welt und die Massenproduktion von Dingen.
5. Christo: «Purple Store Front» (1964)
Ein Schaufenster soll Begehren wecken, in dem es uns etwas vor die Augen führt. Doch was, wenn ein Schaufenster etwas verhüllt? Sein Zweck wird dann ad absurdum geführt. Unser aller Voyeurismus bleibt unbefriedigt.
Manchmal brannte ein Licht hinter den Tüchern oder sie hatten ein Loch, durch das man lugen konnte. Verlockend und verhüllend zugleich.
6. Matson Jones
Einen neuen Blick auf Schaufenster eröffneten zwei der wichtigsten US-Künstler des 20. Jahrhunderts. Jasper Jones und Robert Rauschenberg gelten als Wegbereiter der Pop-Art. In den 1950er-Jahren gestalteten sie legendäre Dekorationen für die Schmuckfirma Tiffany. Mit Materialien wie Dreck und Sand entstanden manchmal fast surrealistisch anmutende Bilder.
Durch die dramatische Lichtsetzung wurden die Schmuckstücke inszeniert wie in einer Mini-Filmkulisse oder einem Stillleben. Für diese Arbeiten gründeten die Künstler extra eine Firma: Denn sie wollten auf keinen Fall, dass ihr Bezahljob – die Schaufensterdekoration – mit ihrem künstlerischen Werk in Verbindung gebracht wird. Noch heute laufen diese Fenster unter dem Firmen-Pseudonym Matson Jones.