Er müsse Kunst machen, hat H.R. Giger immer wieder betont. Nur, wenn er seine Ängste zu Papier bringe, finde er einen Umgang damit. Somit ist die Ausstellung genau das, was ihr Titel «Schattenreise» ankündigt: ein Trip durch Gigers Dämonen und Ängste.
Die Schau beinhaltet frühe Giger-Arbeiten, etwa Tuschzeichnungen in aktivistischen Zeitschriften des Zürcher Untergrunds. Giger wurde 1940 in Chur geboren und studierte später an der Kunstgewerbeschule in Zürich Innenarchitektur und Industriedesign.
Halb Mensch, halb Maschine
Früh schon taucht in Gigers Bildern ein Motiv auf, das ständig wiederkehren wird: Surreale monströse Wesen, eine Verschmelzung von Mensch und Maschine, die der Künstler «Biomechanoide» nannte. Sie entstanden in den 1960er-Jahren, also der Zeit des Kalten Kriegs und des atomaren Wettrüstens.
«Giger hat sich die Frage gestellt, wie Wesen beschaffen sein müssten, die einen Atomkrieg überleben könnten und nahm damit die heutige Idee des Transhumanismus vorweg», sagt der Ausstellungs-Kurator Romano Zerbini.
Feuerwaffen und Farbexplosionen
Es sind veritable Horrorfantasien, die Giger gezeichnet, gemalt und gesprayt hat. Viele seiner biomechanoiden Wesen sind eingezwängt in technische Apparaturen, die aussehen, wie das Innere von Feuerwaffen.
So werden die Mischwesen zu Kugeln, die auf die Welt abgefeuert werden – H.R. Gigers künstlerische Verarbeitung von destruktiven gesellschaftlichen Aspekten wie Überbevölkerung und Krieg.
Meistens sind Gigers Bilder schwarz-weiss. In der Photobastei gibt es aber auch ungewohnt knallige Farben zu sehen, so zum Beispiel im Bild «Atomkinder». In einem gleissend hellen orange-roten Feuerball stehen zwei blaue, einbeinige Figuren.
Ihre Rücken wirken wie Schienen aus Metall, ihre Köpfe sind langgezogen und stecken in Gasmasken. Eine surreale Dystopie, die an das Werk von Salvador Dali erinnert. Giger, der auch Freundschaften zu Vorreitern der LSD-Forschung wie Timothy Leary und Stanislav Grof pflegte, soll das Bild auf einem LSD-Trip gemalt haben.
Plötzlich Popkünstler
Ein schwarzer Schädel in der Ausstellung erinnert an das Wesen aus «Alien», dem Sci-Fi-Horrorfilm von Ridley Scott. Giger war Teil des Special-Effect-Teams dieses Films und verantwortlich für die Entwicklung des Alien-Wesens. Für seine Arbeit wurde er 1980 mit einem Oscar ausgezeichnet.
Kurator Romano Zerbini vermutet, dass diese Auszeichnung kontraproduktiv gewesen sei, in Bezug darauf, wie grosse Museen Gigers Schaffen wahrnahmen. «Wegen des Oscars wurde er in die Schublade Popkünstler gesteckt.»
Hans Ruedi Giger ist 2014 gestorben. Bis heute sei ihm die künstlerische Anerkennung, die sein Werk verdient hätte, verwehrt geblieben, sagt Romano Zerbini. Eigentlich erstaunlich, denn Gigers albtraumhafte Visionen haben nicht an Dringlichkeit verloren: Themen wie gesellschaftlicher Druck, Selbstoptimierung durch Technik, Krieg und Katastrophen sind heute aktueller denn je.