Auf dem Campus der zukünftigen internationalen Designschule lässt das chinesische Harbin Institute of Technology (HIT) die Bagger auffahren. Schon in einem Jahr sollen in Shenzhen chinesische und internationale Studentinnen und Studenten in den Bereichen Architektur, Design sowie Stadt- und Raumplanung unterrichtet werden.
Auch mit an Bord: die Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK).
Auf den ersten Blick verblüffen die Zahlen des Grossprojekts: Am HIT studieren 27000 angehende Fachleute. Die Hochschule belegt den sechsten Platz der weltweit besten Universitäten für Ingenieurwissenschaften.
Ebenfalls an der Kooperation beteiligt, sind die Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und das Institute of Advanced Architecture of Catalonia.
Ehrfurcht beiseite – die Sache hat einen Haken: Das HIT bezieht 52 Prozent des Forschungsbudgets vom chinesischen Verteidigungsministerium. 2018 flossen 400 Millionen US-Dollar in Forschungen für die nationale Verteidigung.
Nähe zum Militär
Für den Rektor der ZHdK Thomas Meier ist die Nähe zum Militär unproblematisch. Schon vor fünf Jahren unterzeichnete man eine Kooperationsvereinbarung.
«Wir wussten von Anfang an, dass es eine Verbindung gibt vom HIT und dem Militär. Auch dass sie Aufträge für das Militär umsetzen, wussten wir», so Meier.
Es gäbe kaum eine Technische Hochschule in der Schweiz, Europa oder in Amerika, die nicht militärische Verbindungen hätte.
Trotzdem kritisieren Studierende und Dozierende das Vorhaben. Nicht zuletzt, weil das chinesische Regime einen Verhaltenskodex für ausländische Lehrerinnen und Lehrer vorbereitet. Wer in China unterrichten will, soll sich dabei parteikonform verhalten.
Als Kontrollorgan soll ein Punktesystem eingeführt werden. Wer Chinas Souveränität, Sicherheit oder ehrenhafte Reputation unterminiert, werde entlassen oder erhalte Berufsverbot.
Vorsicht vor dem Regime
Mit Skepsis beobachtet der China-Experte Ralph Weber die Kooperation. Für ihn ist klar: Wer mit chinesischen Institutionen zusammenarbeitet, kommt mit der sogenannten Einheitsfront in Berührung. Die Einheitsfront ist der Versuch, Nicht-Parteimitglieder für die Agenda der KP China zu kooptieren.
Weber publiziert gerade eine Studie darüber: «Das Ziel der Einheitsfront ist letzten Endes, China auf der Weltbühne als neue Weltmacht zu platzieren.» China soll als Macht dargestellt werden, die in Ordnung ist und bei der man politische Differenzen an den Rand drücken kann. «Solche Kooperationen stärken schlussendlich auch die Einheitsfront», erklärt der Professor des Basler Instituts für European Global Studies.
Möglicher Austritt dank Klausel
China-Experte Weber verbrachte knapp zwei Jahre in China und reist nicht mehr ins Land. Er rät zur Vorsicht. «Ein Akteur, der eine Kooperation eingeht, muss sich selber beobachten und schauen, ob er irgendwann beginnt, die Botschaften vom chinesischen Parteitag zu wiederholen, etwa zur Tibet-Frage.» Dann sei es höchste Zeit sich selbst gegenüber kritisch zu sein. «Man muss sich fragen: Kann ich das noch verantworten?», so Weber.
Hinsichtlich einer neuen Zusammenarbeit orientiert sich Meier stark an den Leitfragen der Deutschen Hochschuldirektorenkonferenz. Freiheit für Lehr- und Forschung ist für die ZHdK das höchste Gut und wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen, kann sich Meier auch ein Ausstieg vorstellen. «Es hat schon im ersten Vertrag eine Klausel, die es beiden Seiten erlaubt auszusteigen. Diese Klausel ist uns wichtig, auch wenn wir glauben, dass es gut geht.»
Sendung: 3 Sat, Kulturzeit, 23.10.2020, 19.20 Uhr.