Mensch und Maschine im Kampf gegen die Natur. Immer mehr verlieren die Menschen den Bezug zu ihrer Umwelt. Und die Natur kann nur etwas erwidern: Schweigen. Dieses Motiv zieht sich wie ein roter Faden durch Erika Burkarts lyrisches Schaffen. Es lässt ihre Gedichte bis heute aktuell erscheinen.
Burkarts Lyrik nahm 1956 erstmals richtig Fahrt auf: Sie gewann ihre erste von vielen Auszeichnungen, den Dichterpreis des internationalen Lions-Clubs. Die Reihe geht in regelmässigen Abständen über fünf Jahrzehnte weiter, bis zum grossen Preis der Schweizerischen Schillerstiftung, den sie 2005 für ihr Lebenswerk erhielt: als einzige Frau in der Geschichte dieses Preises.
Späte Berufung
Zur Literatur hatte sie schon als Kind durch ihre Mutter gefunden, doch das Schreiben war Erika Burkarts zweite Karriere. Ursprünglich hatte sie sich zur Primarlehrerin ausbilden lassen, musste diese berufliche Tätigkeit jedoch schon mit 30 Jahren wegen Krankheit abbrechen.
Dann zog sie sich immer mehr in ihre Familienresidenz im Haus Kapf zurück, das ehemalige Äbtehaus des Klosters Muri im Aargauer Freiamt, das Burkarts Vater zum Wirtshaus umgebaut hatte. Hier wohnte Erika Burkart bis zu ihrem Tod im Jahre 2010.
Früher streng, später freier
Die Entwicklung, die man durch Erika Burkarts Gedichte hindurch nachverfolgen kann, ist einigermassen überraschend: Die frühen Gedichte sind nämlich nicht avantgardistisch oder wild, wie man das vielleicht erwarten würde.
Vielmehr sind sie streng gereimt, anfangs noch mit deutlichen religiösen Anklängen. Sie bewegen sich in Sprache und Inhalt teilweise erstaunlich nah an Klassik und Romantik, obwohl sie rund 150 Jahre später geschrieben wurden.
Das lässt mit der Zeit nach: Später kommen kaum noch Reime vor, die Sprache wird immer freier, mutet moderner an – und doch bleibt ganz deutlich erkennbar, wie viel Erika Burkart gelesen haben muss: Schiller und Hölderlin dringen in Form und Inhalt immer wieder durch, aber auch modernere Bezüge gibt es zuhauf, etwa zu Emily Dickinson.
Viel Skepsis, wenig Aktivismus
Erika Burkarts lyrische Tätigkeit fällt in die Zeitperiode industrieller Hochkonjunktur. Die Atomenergie kommt auf. Immer mehr Autos füllen die Strassen. Burkart beobachtete das skeptisch, aber auch ohne expliziten Aktivismus.
Es beklemmte sie, dass das 15'000 Jahre alte Moor in der Nähe ihres Hauses vernichtet wurde. Einen Schrottplatz für Autos bezeichnete sie einmal als «gottverlassene Herde brutaler Gerippe» und als «Aussatz».
Während andere jedoch gegen AKWs oder den Vietnamkrieg auf die Strasse gingen, zog sich Erika Burkart in den Garten von Haus Kapf zurück, beschrieb Brombeerranken, Gräser oder den nächtlichen Mondschein.
«Ich gehe, bevor ihr mich seht. Ich halte mich an die letzten Gräser», schreibt sie im Gedicht «Steckbrief».
Sprache der Natur
Erika Burkart leistete nicht mit lauten Worten Widerstand gegen die menschgemachte Zerstörung der Natur. Sie wollte dazu anregen, wieder mehr auf die wortlose Sprache der Natur zu hören.
Das Wortlose, das Schweigen war für sie zentral: Selbst «Gedichte sind Grade des Schweigens», heisst es in «Dazwischen». Ein Schweigen aber, unter dessen Oberfläche es gewaltig brodelt.