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Zum 100. Geburtstag von Pier Paolo Pasolini
Aus Kultur-Aktualität vom 04.03.2022. Bild: KEYSTONE/PHOTOPRESS-ARCHIV/BCA/Str
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100 Jahre Pier Paolo Pasolini Der klarsichtige Träumer bleibt verblüffend zeitgemäss

Der Regisseur und Dichter Pier Paolo Pasolini war Visionär und Provokateur. Am Samstag wäre er 100 Jahre alt geworden. Zum Geburtstag lässt ein neues Buch Pasolini in seinen eigenen Worten erleben.

Pier Paolo Pasolini wurde 1922 als Sohn eines Offiziers und einer Lehrerin geboren. Schon früh brach Pasolini mit der bürgerlichen und faschistisch geprägten Welt seines Vaters.

Er hielt sich an die Mutter, die aus dem bäuerlichen Friaul im Nordosten Italiens stammte. Er entdeckte das Friaulische als Sprache für seine Lyrik und entwickelte eine glühende Liebe zum ländlich-archaischen Italien.

Nach dem Studium unterrichtete Pasolini einige Jahre als Volksschullehrer im Heimatdorf seiner Mutter. Eine Anzeige wegen seiner Homosexualität – viele weitere sollten folgen – zwang ihn zur Flucht nach Rom. Die Armut an den Rändern der Stadt radikalisierte ihn. Unermüdlich setzte sich Pasolini fortan mit den desolaten politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Zuständen Italiens auseinander.

Eine Ehrentafel für Pasolini in Rom
Legende: Eine Marmortafel in Rom ehrt den Filmregisseur und Dichter mit den Worten: «Für sein intellektuelles Schaffen und seine Beziehung zum Bezirk Monteverde.» IMAGO / Pacific Press Agency

Der Mann mit dem wundersamen Blick

Zu seinen eindrücklichsten literarischen Werken gehören immer noch seine beiden ersten Romane «Ragazzi di vita» von 1955 und «Una vita violenta» von 1959.

Die ersten Romane handeln von der verlorenen Jugend in den römischen Vorstädten, genauso wie Pasolinis erster Film «Accattone» (1961). Dieser erzählt von einem jungen Zuhälter, den Pasolini in seiner Verlorenheit wie Jesus auf dem Passionsweg zeigt. Es gab Anklagen wegen Blasphemie, auch hier folgten viele weitere.

Auf die Frage, wieso gerade er als Marxist immer wieder Filme mit religiösen Motiven drehe, antwortete Pasolini: «Mein Blick auf die Welt und ihre Objekte ist nicht natürlich, nicht weltlich. Ich sehe alle Dinge als ein wenig wundersam.»

Pasolini am Set mit Kinder-Schauspielern.
Legende: Pasolini mit Kinder-Schauspielern am Set seines ersten Filmes «Accattone». KEYSTONE/EPA/ANSA/Str

Pasolini sehnte sich zeitlebens nach dem Ursprünglichen, Reinen, Unverdorbenen. Gleichzeitig hatte er ein beinahe prophetisches Gespür für Entfremdung und Gewalt. Mit seiner Kritik an der herrschenden Klasse sah er schon in den 1950er-Jahren Politiker wie Silvio Berlusconi voraus.

«Die Welt wird nie besser werden»

Im Buch «Pier Paolo Pasolini in persona», das zu dessen 100. Geburtstag erschienen ist, kann man Pasolini in seinen eigenen Worten begegnen. Liest man seine Gespräche und Selbstzeugnisse, gerät man in einen Strudel leidenschaftlicher Argumente und nonchalanter Selbstironie. Immer wieder findet man den klarsichtigen Träumer verblüffend zeitgemäss.

Pasolini in seinem Arbeitszimmer
Legende: Pasolini in seinem Arbeitszimmer. Am 2. November 1975 wurde er ermordet. Ein Prostituierter wurde für schuldig erklärt. Bis heute ist jedoch unklar, wer Pasolini tatsächlich getötet hat. KEYSTONE/PHOTOPRESS-ARCHIV/BCA/Str

In seinem Wörterbuch von 1967/68 schrieb er über die Verbesserung der Welt: «Die Vorstellung von der Verbesserung der Welt ist eine jener Alibi-Vorstellungen, mit denen sich unglückliche oder beschränkte Geister trösten (zu dieser Kategorie zähle ich auch Kommunisten, die von ‹Hoffnung› sprechen). Eine der Möglichkeiten, der Welt nützlich zu sein, besteht also darin, klar und deutlich zu sagen, dass die Welt nie besser werden wird.»

Vielleicht gerade deshalb waren Pier Paolo Pasolinis Filme und literarischen Texte Feste der Sinne, gewürzt mit archaischem Witz und melancholischer Nostalgie.

Buchhinweis

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Gaetano Biccari (Hrsg.): «Pier Paolo Pasolini in persona. Gespräche und Selbstzeugnisse». Wagenbach, 2022.

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Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 04.03.2022, 08:06 ; 

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