Pier Paolo Pasolini wurde 1922 als Sohn eines Offiziers und einer Lehrerin geboren. Schon früh brach Pasolini mit der bürgerlichen und faschistisch geprägten Welt seines Vaters.
Er hielt sich an die Mutter, die aus dem bäuerlichen Friaul im Nordosten Italiens stammte. Er entdeckte das Friaulische als Sprache für seine Lyrik und entwickelte eine glühende Liebe zum ländlich-archaischen Italien.
Nach dem Studium unterrichtete Pasolini einige Jahre als Volksschullehrer im Heimatdorf seiner Mutter. Eine Anzeige wegen seiner Homosexualität – viele weitere sollten folgen – zwang ihn zur Flucht nach Rom. Die Armut an den Rändern der Stadt radikalisierte ihn. Unermüdlich setzte sich Pasolini fortan mit den desolaten politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Zuständen Italiens auseinander.
Der Mann mit dem wundersamen Blick
Zu seinen eindrücklichsten literarischen Werken gehören immer noch seine beiden ersten Romane «Ragazzi di vita» von 1955 und «Una vita violenta» von 1959.
Die ersten Romane handeln von der verlorenen Jugend in den römischen Vorstädten, genauso wie Pasolinis erster Film «Accattone» (1961). Dieser erzählt von einem jungen Zuhälter, den Pasolini in seiner Verlorenheit wie Jesus auf dem Passionsweg zeigt. Es gab Anklagen wegen Blasphemie, auch hier folgten viele weitere.
Auf die Frage, wieso gerade er als Marxist immer wieder Filme mit religiösen Motiven drehe, antwortete Pasolini: «Mein Blick auf die Welt und ihre Objekte ist nicht natürlich, nicht weltlich. Ich sehe alle Dinge als ein wenig wundersam.»
Pasolini sehnte sich zeitlebens nach dem Ursprünglichen, Reinen, Unverdorbenen. Gleichzeitig hatte er ein beinahe prophetisches Gespür für Entfremdung und Gewalt. Mit seiner Kritik an der herrschenden Klasse sah er schon in den 1950er-Jahren Politiker wie Silvio Berlusconi voraus.
«Die Welt wird nie besser werden»
Im Buch «Pier Paolo Pasolini in persona», das zu dessen 100. Geburtstag erschienen ist, kann man Pasolini in seinen eigenen Worten begegnen. Liest man seine Gespräche und Selbstzeugnisse, gerät man in einen Strudel leidenschaftlicher Argumente und nonchalanter Selbstironie. Immer wieder findet man den klarsichtigen Träumer verblüffend zeitgemäss.
In seinem Wörterbuch von 1967/68 schrieb er über die Verbesserung der Welt: «Die Vorstellung von der Verbesserung der Welt ist eine jener Alibi-Vorstellungen, mit denen sich unglückliche oder beschränkte Geister trösten (zu dieser Kategorie zähle ich auch Kommunisten, die von ‹Hoffnung› sprechen). Eine der Möglichkeiten, der Welt nützlich zu sein, besteht also darin, klar und deutlich zu sagen, dass die Welt nie besser werden wird.»
Vielleicht gerade deshalb waren Pier Paolo Pasolinis Filme und literarischen Texte Feste der Sinne, gewürzt mit archaischem Witz und melancholischer Nostalgie.