Der Soldat Schwejk ist ein sympathischer Verlierer: Untauglich fürs Militär, muss er im Ersten Weltkrieg zum Kriegsdienst antreten. Schwejk schummelt sich durch und zeigt Autoritäten gerne mal den Stinkefinger.
Vor 100 Jahren ist der Roman «Der brave Soldat Schwejk» des tschechischen Schriftstellers Jaroslav Hašek erschienen.
Besonders in seiner Heimat ist Schwejk bis heute eine populäre Figur, sagt der Journalist Kilian Kirchgessner, der in Prag lebt.
SRF: Was macht den braven Soldaten Schwejk aus?
Kilian Kirchgessner: Schwejk muss in den Krieg, ist aber eigentlich völlig untauglich dafür. Er hört bei allen Befehlen aufs Wort und sabotiert so mit Unschuldsmiene alles, was er an Befehlen bekommt.
Er wird strafversetzt, von einem Regiment zum anderen verschickt und fährt so durch das ganze damalige Kaiserreich Österreich-Ungarn.
Was macht die Geschichte, die im ersten Weltkrieg spielt, heute noch aktuell?
Hinter der Geschichte steckt natürlich viel mehr. Es ist ein Lächerlichmachen des Militärs, des Krieges, der Autoritäten und der Befehlshörigkeit. Das ganze macht Schwejk mit einem Augenzwinkern, wodurch man ihn sofort ins Herz schliesst.
Das, was ihn heute noch aktuell macht: Er bietet so etwas wie Lebenshilfe. Die Lehre ist: Es hilft, wenn man nicht alles allzu ernst nimmt und sich nicht verbiegen lässt.
Dieses ‹Lass die da oben mal entscheiden. Wir machen sowieso das, was wir für richtig halten› trifft man in Tschechien bis heute an
In Tschechien trifft man überall auf Schwejk – sei es in Kneipen oder in Souvenirshops. Ist das mehr als nur für Touristen?
Ja. Schwejk ist über Tschechien hinaus eine der bekanntesten literarischen Figuren überhaupt. Aber er ist eben auch in Tschechien sehr bekannt. Er spiegelt den tschechischen Humor wieder – dieses manchmal etwas Subversive.
Das macht ihn bis heute aktuell. Es spielt in Schwejk viel vom tschechischen Charakter rein: Dieses «Lass die da oben mal entscheiden - wir machen sowieso das, was wir für richtig halten». Das ist eine Einstellung, die man in Tschechien tatsächlich bis heute so antrifft.
Kann diese schelmische Hinterlist im Umgang mit der Corona-Pandemie zum Verhängnis werden?
Das ist tatsächlich so. Ich glaube, dahinter steckt auch ein Grund, weshalb Tschechien mit die schlimmsten Ansteckungzahlen in Europa hat.
Ich war neulich spazieren mit einer Freundin und sie sagte: «Komm, ich hol uns da vorne was zu trinken - bei der Kneipe, wo aus dem Fenster verkauft werden darf». Und obwohl in Tschechien kein Alkohol verkauft werden darf, kam meine Freundin mit zwei Becher Glühwein zurück.
Ich sagte: «Wie kann das sein? Es ist doch verboten, Alkohol auszuschenken.» Ihre Antwort war: «Na ja, ich hab mich mit der Verkäuferin geeinigt, dass das Kaffeebecher sind. Also ist da Kaffee drin.»
Das Virus lässt sich nicht so leicht ‹schwejkisch› austricksen.
Kann diese Haltung des braven Soldaten also auch Probleme verursachen?
Das ist genau diese Art, wie man dem Wortlaut nach zwar irgendwie im Gesetz bleibt, aber trotzdem genau das Gegenteil von dem macht, was eigentlich intendiert war. Es wird deutlich, dass das in der Pandemie nicht funktioniert hat.
Im Zweiten Weltkrieg hat es funktioniert – diese Art, nicht alles ernst zu nehmen und die Behörden zu umgehen – es hat während des Kommunismus hervorragend geholfen und war da eine grosse Lebenshilfe. Aber jetzt in der Pandemie ist eben nicht mehr die Politik der Gegner, sondern das Virus. Und das lässt sich nicht so leicht «schwejkisch» austricksen.
Das Gespräch führte Vanda Dürring.